Das Thema Kindesmissbrauchs wirft grosse Schatten über weite Teile von Grossbritanniens Gesellschaft. Jetzt steht sogar ein ehemaliger Premierminister am Pranger.
Die Polizei ermittelt nach Informationen der BBC posthum gegen den früheren Premierminister Edward Heath wegen Vorwürfen des Kindesmissbrauchs. Ein Team von Sonderermittlern von Scotland Yard prüfe in Zusammenarbeit mit der Polizei in der Grafschaft Wiltshire entsprechende Vorwürfe. Die Polizei der Kanalinsel Jersey – ein britischer Kronbesitz – bestätigte ebenfalls Ermittlungen.
Die Anschuldigungen, die auch gegen weitere prominente Politiker erhoben wurden, reichen bis in die 1970er und 1980er Jahre zurück. Der konservative Heath war von 1970 bis 1974 Premierminister; er starb im Jahr 2005. Auf die Kanalinsel Jersey hatte der begeisterte Segler häufig Törns unternommen.
Die Polizeibehörde in Wilthire am früheren Wohnsitz Heaths teilte am Dienstag mit, nach einem Aufruf an mögliche Opfer vom Montag seien «eine Reihe von Anrufen» bei der Polizei eingegangen.
Polizei in Wiltshire gerügt
Unterdessen hat eine Journalistin des US-Magazins «Newsweek» dem britischen Radiosender LBC gesagt, ihr sei im Jahr 2011 trotz gültigen Visums die Einreise nach Grossbritannien verweigert worden. Zu dieser Zeit habe sie unter anderem zu den Vorwürfen gegen Heath, aber auch zu Steuerdelikten in der Steueroase Jersey recherchiert. Der Verdacht habe damals gelautet, dass Heath und andere Täter Kinder aus einem Heim in Jersey missbraucht hätten.
Erst am Montag war bekanntgeworden, dass eine unabhängige Kommission zur Überprüfung der Polizeiarbeit die Polizei in Wiltshire gerügt hatte. Früheren Vorwürfen gegenüber Heath sei möglicherweise nicht in ausreichendem Umfang nachgegangen worden.
Die Vorwürfe gegen einflussreiche britische Politiker sind nur ein Teil des Gesamtproblems um Kindesmissbrauch in Grossbritannien. Am Pranger stehen auch Geistliche, Showstars und oder etwa Taxifahrer.
Ein von der Regierung bestellter Untersuchungsausschuss unter Vorsitz der neuseeländischen Richterin Lowell Goddard soll in den nächsten Jahren das Gesamtproblem aufarbeiten. Goddard hat angekündigt, sie werde vor den Korridoren der Macht nicht haltmachen.