Eine Scheidung ist ohnehin schon ein dramatischer Einschnitt, wird aber noch verschärft durch den Streit ums Sorgerecht für ebenfalls betroffene Kinder. Kürzlich beschäftigte sich die Regierung mit einer Nivellierung des Unterhaltsgesetzes. Doch bedeuten die Vorschläge eine Verbesserung?
Am 23. und 24. Januar hat sich die Rechtskommission des Nationalrates erstmals mit dem Entwurf des Bundesrates für die Neuregelung des Kinderunterhalts beschäftigt. Frau Bundesrätin Sommaruga sagte im November dazu, dass der Unterhaltsanspruch eines Kindes Vorrang vor anderen familiären Pflichten haben solle und dass uneheliche und eheliche Kinder mit der Einführung eines sogenannten Betreuungsunterhalts gleichgestellt werden sollen.
Rückzahlung von Sozialhilfeleistung soll erspart werden
Weiter bestand die Absicht, mit dem Entwurf die Probleme in einem sogenannten Mankofall anzugehen. Davon spricht man, wenn die Einkünfte von Mutter und Vater nach einer Trennung oder Scheidung zur Deckung der Bedürfnisse der getrennt lebenden Familie nicht ausreichen.
Weiter sollen mit der Festlegung eines sogenannt gebührenden Unterhalts die Unterhaltsbeiträge für Kinder nun offenbar nicht nur erhöht werden, sondern in Mankofällen soll zudem für unterhaltspflichtige Väter, sollten sie später wieder zu Geld kommen, eine Nachzahlungspflicht rückwirkend bis zu fünf Jahren entstehen. Ziel dieser Änderung sei es, dem betreuenden Elternteil, in der Regel der Mutter, die Rückzahlung von Sozialhilfeleistungen zu ersparen, so die Bundesrätin.
Kritik aus verschiedenen Lagern
Bekanntlich wurde zum Entwurf aus verschiedenen Richtungen Kritik geäussert: Von Frauenseite wurde als unhaltbar bemängelt, dass die Revision die Probleme der Mankofälle nicht löse, wie das Frau Bundesrätin anlässlich der Medienkonferenz denn auch einräumen musste. Als Lösung dafür wurde weiterhin eine Mankoteilung gefordert. Ebenso wurde bemängelt, dass kein aus dieser Ecke geforderter Mindestunterhalt eingeführt werden soll und die Alimentenpflicht nicht bis zum Ende der Ausbildung der Jugendlichen andauere. Frau sieht das Kindeswohl gefährdet, versucht aber in Wirklichkeit wohl Mütter finanziell besser zu stellen.
Lösungsvorschlag wird von Betroffenenorganisationen kritisiert
Die misslungene «Lösung» der Mankoprobleme auf dem Buckel der Väter kann – wen überrascht das – auch von uns Väterorganisationen, unterstützt von Organisationen von sog. Zweitfrauen, nicht goutiert werden. Solche Frauen wären als neue Partnerinnen von Vätern mitbetroffen. Wir stellen zudem fest, dass mit dem Entwurf auch die angestrebte Gleichstellung der Kinder – entgegen der Absicht des Bundesrates – in keiner Weise erreicht wird. Auf Druck von Frauenseite sollen nämlich im geltenden Scheidungsrecht wegen Kinderbetreuung geschuldete Ehegattenalimente nicht angetastet werden.
Eine Situation, die eheliche Kinder im Vergleich zu unehelichen also bezüglich Betreuung wie bereits heute klar bevorzugt. Wir verstehen deshalb nicht, wie der Bundesrat trotzdem behaupten kann, dass uneheliche und eheliche Kinder mit seinem Entwurf nun gleichgestellt würden. Zudem hat er einem Postulat, das kürzlich von Nationalrat Frehner eingereicht wurde, in keiner Weise Rechnung getragen: Darin wurde der Bundesrat beauftragt, die aktuelle gesetzliche Regelung der nachehelichen Unterhaltspflicht auf ihre Vereinbarkeit mit den verfassungsmässigen Geboten der Rechtsgleichheit und der Gleichberechtigung der Geschlechter zu überprüfen.
Soll im Streitfall jeder Elternteil nach seinen Kräften verpflichtet werden?
Wir haben den Entwurf genau geprüft. Wir begrüssen die Einführung von Betreuungsunterhalt: Die wirtschaftliche Situation von getrennt lebenden Familien mit bescheidenen Einkommen, wo Kleinkinder betreut werden, muss verbessert werden. Wir sind aber enttäuscht, dass der Entwurf viele schwerwiegende Mängel aufweist. Mit einer ganzen Anzahl von Unklarheiten und Widersprüchen will der Bundesrat die Gesetzesarbeit offenbar dem Bundesgericht überlassen. Beispielsweise hat er nicht erkannt, dass begrifflich zwischen Unterhalt und Unterhaltsbeitrag unterschieden werden muss. Denn Unterhalt ist das, was das Kind braucht: Betreuung und Geld. Der Unterhaltsbeitrag ist jedoch etwas ganz anderes, nämlich eine Ausgleichspflicht und ein Anspruch auf Ausgleich zwischen den Eltern, die dadurch entstehen, dass die Aufgaben zwischen den Eltern in der Regel ungleich aufgeteilt werden.
Das Kernproblem im Entwurf sehen wir aber in der Formulierung: Die Eltern sorgen gemeinsam, ein jeder Elternteil nach seinen Kräften für den gebührenden Unterhalt des Kindes. Diese Formulierung verzichtet auf eine Zuweisung von Pflichten, wie sie im geltenden Gesetz besteht. Das ist keine brauchbare Regel, um im Streitfall den Beitrag ausrechnen zu können, den ein Elternteil monatlich dem anderen für Kinderunterhalt schuldet. Was also soll ein Richter mit einem solchen Gesetz anfangen? Ein neues Gesetz gemäss Entwurf würde keine Berechnung eines Unterhaltsbeitrags mehr ermöglichen! Ein solches Gesetz liesse sich kaum transparent und der Rechtssicherheit genügend umsetzen.
Fehlende Faktenlage über Benachteiligung im Mankofall
Auslöser für die angepeilte Gesetzesrevision war gemäss Botschaft des Bundesrates die angeblich bestehende Ungerechtigkeit im Mankofall: Der demütigende Gang aufs Sozialamt bleibe den Vätern erspart, die Mütter müssten ihn heute alleine gehen. Weiter bestehe für solche Mütter Rückzahlungspflicht, für Väter aber nicht. Nur ein Teil der Kantone kennt aber in Wirklichkeit eine Rückerstattungspflicht. Und auch dort muss Sozialhilfe in der Regel nicht zurückerstattet werden. Eine Statistik, woraus ersichtlich wäre, unter welchen Umständen und wie oft eine solche Rückzahlung von Müttern tatsächlich eingefordert worden war und mit welchem Erfolg, ist auf Anfrage auch dem Bundesamt für Justiz nicht bekannt.
Und was den demütigen Gang aufs Sozialamt betrifft, so würden ihn viele vom Richter aufs betreibungsrechtliche Existenzminimum reduzierte Väter wohl gerne in Kauf nehmen, wenn sie nur dürften. Einem Unterhaltspflichtigen, der vom Richter auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum gesetzt worden ist, verweigert das Sozialamt jegliche Unterstützung. Solche Väter haben nämlich deshalb keinen Anspruch, weil sie selbst andere unterstützen (müssen).
Wäre das nicht so, würden sie – wie die Mütter auch – bis zum sogenannten sozialen Existenzminimum nach SKOS-Richtlinien unterstützt. Dieses ist ca. 15 Prozent höher, als was ein Richter gewährt, der an das tiefere, sogenannte betreibungsrechtliche, Existenzminimum gebunden ist. In einem Mankofall leben Mütter mit dem Sozialamt tatsächlich deutlich besser als Väter mit dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum gemäss Gerichtsentscheid. Von einer stossenden Ungerechtigkeit sind deshalb unseres Erachtens Väter heute mindestens ebenso betroffen.
Verursacherprinzip missachtet
Die Unterstützung des Sozialamts geht nach ständiger Praxis an die Mütter ohne Rücksicht darauf, welcher Elternteil das Manko verursacht hat. Damit werden dann später – falls überhaupt – die Bevorschussten, und nicht die Säumigen, rückzahlungspflichtig. Ungerechterweise also allein die Mütter. Niemand hat gemerkt, dass sich gemäss geltender Gesetzeslage dank klar gegebenen Pflichtteilen berechnen und damit feststellen liesse, welcher Elternteil das Manko mit welchem Anteil verursacht hat. Im Falle einer späteren Rückforderung – so die denn politisch weiterhin opportun sein sollte – wäre dann ohne weiteres klar, bei welchem Elternteil welcher Anteil rückforderbar wäre.
Ebenfalls hat niemand bemerkt, dass es bereits nach bestehendem Gesetz (ZGB Art. 279) die Kinder sind, die Anspruch auf Kinderunterhalt haben und bevorschusst werden müssten, nicht deren Mütter. Eine solide Grundlage für eine allfällige Rückzahlungspflicht der Mütter fehlt also ohnehin! Die bestehende Ungerechtigkeit, mindestens was Rückzahlungen betriff, liesse sich damit mit einer neuen Praxis (ev. auf dem Verordnungsweg) und vermutlich ohne Gesetzesänderung beheben.
Dem Vernehmen nach will die Rechtskommission auf den Entwurf eintreten. Vorerst ist eine Anhörung von Fachleuten geplant. Man darf gespannt sein, zu welchen Schlussfolgerungen die Kommission kommen wird und was sie dem Rat beantragen wird.
Über mich: ich bin Vizepräsident und Berater bei mannschafft.