Ein möglicher Skandal um Italiens Justizminister Anna Maria Cancellieri könnte die Regierung von Enrico Letta unter Druck setzen. Italiens oppositionelle Fünf-Sterne-Bewegung brachte im Parlament einen Misstrauensantrag gegen die Justizministerin ein.
Italienische Medien hatten jüngst den Inhalt abgehörter Telefongespräche Cancellieris veröffentlicht. Daraus gehen enge Kontakte zwischen der parteiunabhängigen Ministerin und der Unternehmerfamilie Ligresti hervor, wie die österreichische Nachrichtenagentur APA am Samstag berichtete.
Die 70-jährige Ministerin soll sich für die Freilassung der im Juli wegen Bilanzfälschung und Kursmanipulation verhafteten Unternehmerin Giulia Maria Ligresti eingesetzt haben. Diese war im September zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden.
Bereit, alles zu tun
Die Aktienanteile Giulia Maria Ligrestis wurden konfisziert. Dabei handelt es sich um ein Aktienpaket im Wert von 251 Millionen Euro. Zusammen mit ihrem Vater, dem skandalumwitterten Finanzunternehmer Salvatore Ligresti, und ihren beiden Geschwistern hatte Giulia Maria Ligresti Italiens zweitgrössten Versicherer, Fonsai, geleitet.
Salvatore Ligresti, seine Kinder und drei weitere Manager waren im Juli verhaftet worden. Abgehört wurden Gespräche zwischen der Justizministerin und der Lebensgefährtin Salvatore Ligrestis, mit der Cancellieri seit Jahren befreundet ist.
Darin bestätigt Cancellieri ihre Bereitschaft, alles zu tun, um Giulia Maria Ligresti aus der Haft zu bringen. Am 28. August wurde diese unter Hausarrest gestellt.
Gespräch unter alten Freundinnen
Die Demokratische Partei (PD), stärkste Einzelpartei im italienischen Parlament, forderte Cancellieri – die bis April 2013 Innenministerin war – auf, im Parlament über den Fall zu berichten. Der Skandal droht die Regierung Letta unter Druck zu setzen.
Die Ministerin sagte, sie habe sich lediglich aus humanitären Gründen für Ligresti eingesetzt, die in Haft stark abgemagert und in kritischem gesundheitlichen Zustand war. Das Telefonat mit Salvatore Ligrestis Lebensgefährtin sei lediglich ein Gespräch zwischen «zwei alten Freundinnen» gewesen, verteidigte sich die Ministerin.