Dank einer nicht für möglich gehaltenen Steigerung auf allen Ebenen und zum richtigen Zeitpunkt sichert sich der SC Bern seinen 14. Meistertitel.
Vom taumelnden Krisenklub zum verdienten Schweizer Meister in zwei Monaten – so lässt sich der Weg der Berner in der finalen Phase der NLA-Meisterschaft in Kurzform beschreiben. Dabei sorgte der SCB für eine Premiere. Nie davor hatte ein Achtklassierter der Qualifikation den Pokal in die Höhe stemmen können. Kloten (1995) und die ZSC Lions (2012) schafften es jeweils von Platz 7 aus.
Die beiden Zürcher Klubs schlitterten aber nicht dermassen knapp in die Playoffs wie der SCB in diesem Jahr. Nur dank dem besseren Torverhältnis (-10) gegenüber dem neuntklassierten Lausanne (-20) hatte es dem Klub mit dem höchsten Zuschauer-Durchschnitt ausserhalb der NHL überhaupt in die Endausmarchung gereicht. Mit der erknorzten Playoff-Qualifikation löste sich im Team von Trainer-Rookie Lars Leuenberger aber die Verkrampfung.
Die Berner waren plötzlich nicht mehr wiederzuerkennen. Nach Monaten der Baisse setzten sie ihre Klasse in den Playoffs um und arbeiteten ihre Gegner mit einer mannschaftlichen Geschlossenheit Mal für Mal vom Eis. Gegen die Energie, die Wucht, das Tempo und das Selbstvertrauen fanden weder der Qualifikationssieger ZSC Lions (4:0 für Bern) noch die Titelverteidiger aus Davos (4:1) und im Final das in diesem Frühling wieder erstarkte Lugano (4:1) ein Rezept. Der SCB sicherte sich den Titel nicht mit Glück, sondern, weil er in diesen Playoffs klar die beste Mannschaft war.
Trainerwechsel und Verletzte
Das Potenzial, um Meister zu werden, hatte Bern bereits zum Saisonstart besessen. Doch unter dem kanadischen Trainer Guy Boucher lief es dem Grossklub nicht. Zudem verletzten sich immer wieder Schlüsselspieler, wie zum Beispiel der mittlerweile zurückgetretene Torhüter Marco Bührer. Seine acht Ausländerlizenzen hatte Bern deshalb bereits vor dem Jahreswechsel vergeben.
Zu diesem Zeitpunkt war Boucher nicht mehr dabei. Der ehemalige NHL-Trainer wurde im November freigestellt. Sven Leuenberger hievte stattdessen seinen jüngeren Bruder und bisherigen Assistenten Lars auf den Trainerstuhl, musste dafür aber seinen Posten als Sportchef räumen und an Alex Chatelain übergeben. Die Neubesetzungen lösten Stirnrunzeln aus, erwiesen sich nun aber als ideale Lösungen.
Leuenberger fand das richtige Rezept
Lars Leuenberger, als Spieler und Trainerassistent bereits Meister mit Bern, machte die mangelnde Erfahrung – der 41-Jährige hatte davor in der NLA einzig zwei Monate als Interimstrainer in Bern gewirkt (Saison 2013/2014) – mit Leidenschaft und cleverem Coaching wett. Er fand offenbar die richtigen Worte und hinterliess an der Bande den besseren Eindruck als die etablierten Marc Crawford (ZSC), Arno del Curto (Davos) und Doug Shedden (Lugano).
Bern brach als Mannschaft nie auseinander, auch als es im Januar die längste Negativserie seit Einführung der Playoffs (acht Niederlagen in Folge) verkraften musste. «Wir sind immer positiv geblieben», sagten die Protagonisten vor dem Playoff-Start unisono. Und als Bern endlich komplett antreten konnte, begann die Maschinerie unermüdlich zu laufen. Die Ausgeglichenheit, dank der die Berner konsequent mit vier Linien losstürmen konnten, erwies sich als einer der grossen Trümpfe.
Die harten Arbeiter
Durch nichts liessen sich die Berner erschüttern. Wie gross das Selbstvertrauen der Berner in diesen Playoffs war, zeigt ein Blick auf die Overtime-Statistik. Alle fünf Verlängerungen und Penaltyschiessen entschieden die Berner für sich – mehrmals nach Rückständen und nachdem sie den Ausgleich erst kurz vor Ablauf der regulären Spielzeit erzielt hatten.
Typischerweise gehörten deshalb nicht offensive Künstler zu den wichtigsten Figuren der Meistermannschaft, sondern harte Arbeiter und Antreiber sowie für den Gegner unbequeme Gegenspieler wie Thomas Rüfenacht oder Tristan Scherwey. Und mit dem tschechischen Weltmeister Jakub Stepanek fanden sie auch auf der so wichtigen Position des Torhüters einen idealen Ersatz für Bührer. Stepanek war nach einer Eingewöhnungsphase der grosse Rückhalt der Mannschaft.
«Königstransfer» Genoni
Im Hinblick auf die kommende Saison ist beim SCB noch einiges unklar, auch wenn das Gerüst der Mannschaft steht und mit der Verpflichtung des Davoser Goalies Leonardo Genoni der «Königstransfer» bereits getätigt ist. Von den Ausländern besitzen einzig der Center Andrew Ebbett und der PostFinance-Topskorer Cory Conacher (dieser mit Ausstiegsklausel für die NHL) einen Vertrag für 2016/2017.
Zumindest offiziell noch nicht vergeben ist zudem der Posten des Trainers. Klar ist, dass Meistertrainer Leuenberger gehen muss. Die Führungsriege um CEO Marc Lüthi hatte bereits vor dem Playoff-Auftakt entschieden, dass der ehemalige Stürmer keine Chance erhält. Dem Vernehmen nach soll der aktuelle finnische Nationaltrainer Kari Jalonen (56) Leuenberger ablösen.
Übrigens: Dass ein Trainer in Bern mit einem Meistertitel abtreten muss, ist keine Premiere. 2004 hatte Kent Ruhnke trotz Titelgewinn gehen müssen – nach einem Finalsieg gegen… Lugano.