Der Schweizerische Arbeitgeberverband und Economiesuisse wollen das Potenzial der inländischen Arbeitskräfte stärker nutzen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Dabei wollen sie besonders die Unternehmen in die Pflicht nehmen. In einem ersten Schritt sollen diese ältere Arbeitnehmer länger beschäftigen.
Die Schweizer Bevölkerung wird immer älter. Gleichzeitig bleibt der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften hoch, um die Wirtschaft in Schwung zu halten. Bisher konnte der Mangel an Fachkräften mit Personal aus dem Ausland aufgefangen werden. Doch das dürfte mit der Umsetzung der Zuwanderungsinitiative künftig schwieriger werden.
Der Arbeitgeberverband und der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse wollen deshalb das Potenzial an inländischen Arbeitskräften stärker ausschöpfen. Sie stellten am Mittwoch in Bern das Projekt «Zukunft Arbeitsmarkt Schweiz» vor. Damit sollen insbesondere Ältere, Frauen, Jugendliche und Menschen mit einen Behinderung besser in den Arbeitsmarkt integriert werden.
In einer ersten Phase wollen sich die Verbände auf ältere Arbeitnehmer konzentrieren: Ziel sei, das faktische Rentenalter zu erhöhen, sagte Valentin Vogt, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes.
«Wir gehen dabei von den Unternehmen aus», erklärte Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl vor den Medien. Diesen fehle oft das Know-How zur Einbindung älterer Arbeitnehmer. Gute Beispiele dafür sollen gesammelt und den Unternehmen gezeigt werden. Bei der Umsetzung der Massnahmen wollen die Verbände helfen.
Schrittweise in die Pension
Solche Massnahmen existieren bereits. Die SBB, der Detailhändler Migros und der Pharmakonzern Novartis stellten am Mittwoch Modelle vor, wie sie ältere Arbeitnehmende unterstützen.
Novartis bietet pensionierten Fachkräften an, bei bestimmten Projekten ihr Fachwissen einzubringen. Die Pensionierten werden dabei auf Basis ihres vorherigen Gehalts bezahlt, wie Thomas Bösch, Personalverantwortlicher bei Novartis, ausführte.
SBB-Angestellte können zwischen verschiedenen Modellen für den Übergang in die Pension wählen. Angestellte, die beispielsweise harte körperliche Arbeit leisten, aber wenig verdienen, wie Rangierarbeiter oder Reinigungspersonal, können dank einem speziellen Fonds früher in Pension gehen. Der Fonds garantiere eine Überbrückung bis zur Auszahlung der regulären Rente, erklärte Markus Jordi, Leiter des Personalwesens bei der SBB.
Die Migros setzt auf sogenannte Bogenkarrieren: Dabei geben ältere Arbeitnehmer schrittweise Verantwortung ab und können ihr Pensum reduzieren. Dies dürfe allerdings keinen Gesichtsverlust für die Arbeitnehmer bedeuten, sagte Marlène Honegger, Leiterin Personelles beim Migros-Genossenschaftsbund. Team und Vorgesetzte müssten das Modell akzeptieren.
Noch nicht etabliert
Diese Modelle nutzen aber noch nicht viele Arbeitnehmer: Bei Novartis arbeiten derzeit 35 Pensionierte aktiv in Projekten mit. Eine Bogenkarriere machen 13 Angestellte des Migros-Genossenschaftsbundes.
«Wir befinden uns noch in der Startphase», sagte Honegger. Sie erwarte aber deutlich mehr Interessierte in den nächsten Jahren, wenn die geburtenstarke Babyboomer-Generation ins Pensionsalter komme.
Die drei Unternehmen sowie der Arbeitgeberverband und Economiesuisse waren sich einig, dass bei all diesen Massnahmen die Rente nicht leiden dürfe. Im Gegenzug müssten die Arbeitnehmer bereit sein, im Alter eine andere Tätigkeit und damit etwaige Lohneinbussen in Kauf zu nehmen, sagte Arbeitgeberpräsident Vogt.
Der Arbeitnehmer-Dachverband Travail.Suisse zeigte sich zufrieden mit der Ankündigung des Projekts. In einer Mitteilung schrieb der Verband, im Hinblick auf die Auswirkungen des starken Frankenkurses müsse die Kampagne rasch Wirkung entfalten, um für die älteren Arbeitnehmenden «ein Desaster zu verhindern».
Im Herbst wollen der Arbeitgeberverband und Economiesuisse erste Ergebnisse des Projekts evaluieren und weitere Massnahmen zur verstärkten Einbindung von Frauen in den Arbeitsmarkt vorstellen.