Mit ohne

Fehlende Eigenschaften können durchaus ein überzeugendes Kaufargument sein.

Zigaretten mit ohne Schadstoffen. So gesund, dass man gleich mehrere davon rauchen kann. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Fehlende Eigenschaften können durchaus ein überzeugendes Kaufargument sein.

Es ist immer ein Grund zur Freude, wenn für Essen oder andere Genussmittel mit ihren fehlenden Eigenschaften geworben wird, denn dann weiss man ganz klar, dass man in einem Land lebt, in dem der Überfluss herrscht. Meistens geht es darum, Inhaltsstoffe ganz oder teilweise zu eliminieren, die mehr oder weniger schädlich sind oder als schädlich verschrien sind, weil sie die Figur oder die Gedächtnisleistung ruinieren.

Da wären zum Beispiel Käse mit weniger Fett, Bier ohne Promille, Frühstücksflocken mit weniger Zucker und Zigaretten mit weniger Schadstoffen, so wenig, dass sie schon fast wieder gesund sind. Diese Produkte sind dann sogenannte «mit ohne»-Produkte, und dieses Konzept liesse sich wunderbar auf noch mehr Lebensbereiche übertragen.

Im Bewerbungsschreiben um eine neue Arbeitsstelle ständen dann Sätze wie «ich bin nicht faul, ich habe nie die Schule und die Arbeit geschwänzt, und ich wäre sehr traurig, wenn Sie mich nicht zu einem persönlichen Gespräch einladen würden». In Partnerschaftsanzeigen fänden sich Formulierungen wie «ich höre keinen Schlager und kein Death Metal, bin keine nervige Person und hänge nie faul auf dem Sofa herum». Da hat man doch gleich ein Bild im Kopf, und ein positives, denn wer etwas nicht hat oder nicht tut, hat sich angestrengt, etwas zu vermeiden, und das ist lobenswert. Zudem lässt ein solches Vorgehen Raum für Träume: Wer keine Schlager hört, hat bestimmt denselben Musikgeschmack wie wir, klar. Auch wenn es gar nicht stimmt. Am einfachsten geht man so vor: Man nimmt eine Eigenschaft, die man selbst oder ein Produkt nicht hat und oftmals auch nie hatte, und streicht diese Tatsache dann als Wunder was heraus.

Gummibärchen hatten zum Beispiel noch nie Fett. Ein Geschiedener ist nicht verheiratet, ein Mann keine Frau und umgekehrt, eine Blondine nicht brünett, und bald gibt es Tofu ohne Fleisch und kernlose Bananen. Kauf ich …

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Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 26.10.12

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