Das Parlament kann über die Frauenquote für Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen entscheiden. Der Bundesrat hat am Mittwoch die Botschaft zu einer umfassenden Revision des Aktienrechts verabschiedet, mit der auch die Abzocker-Initiative umgesetzt werden soll.
In der öffentlichen Diskussion stünden die Frauenquote und die Boni im Zentrum, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga vor den Medien in Bern. Bei der Revision gehe es aber um viel mehr, nämlich um ein Aktienrecht für das 21. Jahrhundert.
Die Eckwerte hatte der Bundesrat vor rund einem Jahr festgelegt. Damals beschloss er, trotz Kritik in der Vernehmlassung an der Frauenquote festzuhalten: Im Verwaltungsrat börsenkotierter Gesellschaften mit mehr als 250 Mitarbeitenden sollen mindestens 30 Prozent Frauen sitzen, in der Geschäftsleitung mindestens 20 Prozent.
Heute sind in den 100 grössten Schweizer Unternehmen nur 16 Prozent der Verwaltungsratsmitglieder Frauen. In den Geschäftsleitungen liegt der Frauenanteil gar bei lediglich 6 Prozent. Für den Bundesrat sei klar, dass es verbindliche Vorgaben brauche, sagte Sommaruga. Bei der Gleichstellung handle es sich um einen Verfassungsauftrag.
Keine Sanktionen
Der Bundesrat spricht allerdings nicht von Quoten, sondern von Richtwerten. Tatsächlich sind keine Sanktionen vorgesehen: Erfüllt ein Unternehmen die Richtwerte nicht, muss es sich lediglich erklären. Es soll im Vergütungsbericht die Gründe sowie Massnahmen zur Verbesserung darlegen, nach dem sogenannten Comply-or-explain-Ansatz.
Nach der Vernehmlassung hatte der Bundesrat beschlossen, die Anpassungsfristen zu verlängern – auf fünf Jahre für den Verwaltungsrat und zehn Jahre für die Geschäftsleitung. Diese Fristen ermögliche die Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten, hält der Bundesrat fest. Im Parlament dürfte die Quote dennoch einen schweren Stand haben.
Abzocker-Initiative umsetzen
Mit der Revision des Aktienrechts will der Bundesrat auch die Abzocker-Initiative auf Gesetzesstufe umsetzen. Bisher sind die Regeln nur in einer Verordnung festgelegt. In der Vernehmlassung befanden Wirtschaftsverbände und ein Teil der bürgerlichen Parteien, das genüge.
Der Bundesrat hält an gesetzlichen Regeln fest. Er hat aber der Kritik Rechnung getragen und will die Bestimmungen der Verordnung nun weitgehend unverändert ins Gesetz überführen. In einigen Punkten gehen die Gesetzesbestimmungen dennoch über die Verordnung hinaus.
Antrittsprämien unzulässig
Das ist bei den Antrittsprämien der Fall. Gemäss dem Text der Abzocker-Initiative sind solche Prämien verboten. Gemäss der Verordnung sind sie erlaubt, müssen aber offengelegt und von den Aktionären genehmigt werden.
Im Gesetz soll nun verankert werden, dass Antrittsprämien unzulässig sind, wenn sie keinen nachweisbaren finanziellen Nachteil kompensieren. Anders als zunächst geplant ist aber kein klarer Nachweis dafür erforderlich.
Obergrenze für Konkurrenzverbote
Unzulässig sind weiter Entschädigungen für Konkurrenzverbote, die nicht geschäftsmässig begründet sind. Auch will der Bundesrat die Höhe solcher Entschädigungen begrenzen: Sie dürfen die durchschnittliche Jahresvergütung der letzten drei Jahre nicht übersteigen.
Stimmen die Aktionärinnen und Aktionäre im Voraus über die variablen Vergütungen für das oberste Kader ab, so muss ihnen der jährliche Vergütungsbericht zur nachträglichen konsultativen Abstimmung vorgelegt werden. Die Aktionäre könnten dann für das nächste Jahr tiefere Boni verlangen.
Transparenz im Rohstoffsektor
Zu den weiteren Elementen der Gesetzesrevision gehören Regeln für den Rohstoffsektor, mit welchen der Bundesrat mehr Transparenz schaffen und Reputationsrisiken vorbeugen möchte. Wirtschaftlich bedeutende Gesellschaften, die in der Rohstoffförderung tätig sind, sollen Zahlungen ab 100’000 Franken pro Geschäftsjahr an staatliche Stellen in einem Bericht offenlegen müssen.
In rohstoffreichen Ländern versickerten oft Milliarden, stellte Sommaruga fest. Die Schweiz als einer der bedeutendsten Rohstoffhandelsplätze habe hier eine besondere Verantwortung.
Lockerung der Kapitalvorschriften
Schliesslich nimmt der Bundesrat mit der Vorlage die grosse Aktienrechtsrevision aus dem Jahr 2007 wieder auf. Das Parlament hatte die Beratungen dazu 2013 nach dem Ja zur Abzocker-Initiative abgebrochen und den Bundesrat beauftragt, die Arbeiten zu koordinieren.
Das Ziel ist es, das Aktienrecht zu modernisieren. Grundlage der neuen bundesrätlichen Vorschläge bildet die Version, welcher der Ständerat im Jahr 2009 zugestimmt hatte. Insbesondere sollen die Gründungs- und Kapitalvorschriften flexibler gestaltet werden.
Gründung wird einfacher
Konkret könnten AG, GmbH und Genossenschaften künftig ohne Urkundsperson gegründet, aufgelöst und im Handelsregister gelöscht werden, sofern einfache Verhältnisse vorliegen. Das Aktienkapital soll nicht mehr zwingend auf Franken lauten, sondern auch in ausländischer Währung zulässig sein.
Generalversammlungen sollen virtuell durchgeführt werden dürfen. Will eine Aktiengesellschaft das Kapital erhöhen, soll sie zudem nicht mehr die Generalversammlung abwarten müssen. Die Aktionäre sollen die Gesellschaft ermächtigen können, diesen Schritt rasch vorzunehmen.
Ferner will der Bundesrat Anreize schaffen, dass Unternehmen frühzeitig die notwendigen Sanierungsmassnahmen treffen und so den Konkurs verhindern können. Das Aktienrecht soll ausserdem auf das neue Rechnungslegungsrecht abgestimmt werden. Schliesslich sollen neben staatlichen Gerichten neu auch Schiedsgerichte aktienrechtliche Streitigkeiten beurteilen dürfen. Die Botschaft des Bundesrates umfasst fast 300 Seiten.