«Muss lernen, mit dem Erfolg umzugehen»

Nach Tina Mazes Triumphen an Olympia 2014 und WM 2015 schreibt Ilka Stuhec in St. Moritz das nächste Kapitel in der wundersamen Abfahrts-Geschichte Sloweniens.

Ilka Stuhec auf dem Podium der St. Moritzer WM-Abfahrt (Bild: sda)

Nach Tina Mazes Triumphen an Olympia 2014 und WM 2015 schreibt Ilka Stuhec in St. Moritz das nächste Kapitel in der wundersamen Abfahrts-Geschichte Sloweniens.

Im ganzen Land gibt es keine Piste, um die Königsdisziplin des Skisports erfolgsversprechend zu trainieren.

Schon zu Beginn des WM-Winters weckte Ilka Stuhec mit ihrer überraschenden Siegesserie Erinnerungen an ihre sieben Jahre ältere Landsfrau und ehemalige Gesamtweltcupsiegerin Tina Maze. Doch mit ihrer slowenischen Herkunft, dem Schweizer Skiausrüster Stöckli und dem Fakt, dass beide Fahrerinnen ihr Heil in einem Privat-Team suchen mussten, haben sich die Gemeinsamkeiten von Stuhec, der grossen Aufsteigerin in dieser Saison, und der inzwischen zurückgetretenen Maze erledigt.

«Irgendwie wird mein Erfolg wohl auch Tina etwas bedeuten. Zumindest hat sie nach dem Rennen, als wir uns kurz sahen, gesagt: »Yeah, der Titel bleibt im Land“, sagte Stuhec einmal während ihres Interview-Marathons nach dem Triumph.

Schon als noch beide Rennen fuhren, gab es zwischen den zwei Sloweninnen jedoch keinen nennenswerten Kontakt. «Wir sind nicht befreundet», hatte die 26-Jährige schon vor Weihnachten in Val d’Isère gesagt. Während sich Maze auf ihrem (Erfolgs-)Planeten aufhielt, fand sich Stuhec trotz ihres erwiesenen Talents zumeist ausserhalb der Top 10 wieder.

Fünf Knieoperationen

Die dreifache Junioren-Weltmeisterin von 2007 und 2008 beklagte in der Folge grosses Verletzungspech. Nicht weniger als fünf Knieoperationen musste sie sich unterziehen. 2009 kappte zudem ihr nationaler Verband die Unterstützung. Stuhec war fürs Comeback fast gänzlich auf sich alleine gestellt. Das war der Zeitpunkt, an welchem Darja Crnko als Trainerin, Physiotherapeutin, skitechnische Beraterin, Fahrerin und Reiseagentin übernahm.

«Meine Mutter hat mich gerettet», sollte Ilka Stuhec in späteren Jahren immer wieder betonen. Man habe einfach alles zusammen erledigt. «Das tun wir auch jetzt noch.» Aber eigentlich könne sie gar nicht in Worte fassen, wie gross die Unterstützung gewesen sei, die ihre Mutter ihr in all den Jahren habe zukommen lassen. Und fast noch unglaublicher sei, «wohin uns unser gemeinsamer Weg geführt hat».

Erleichterung und Glück

Seit Frühling 2015 unterhält Stuhec ihr eigenes Team, zu welchem auch Trainer Grega Kostomaj sowie eine langjährige Kollegin, die hauptsächlich als Physio arbeitet, gehören. Doch erst gut ein Jahr später schaffte es Stuhec, sie aufgrund der finanziellen Probleme belastende Gedanken beiseite zu schieben. Kaum hatte sie diese existenziellen Ängste überwunden, stellte sich beim Speed-Auftakt in Lake Louise mit zwei Abfahrtssiegen auch gleich der sportliche Erfolg ein.

Dieser führte dazu, dass in den letzten Monaten «viel Neues auf mich einprasselte. Ich musste lernen, mit dem Erfolg umzugehen.» Ein paar Wochen ohne Sieg nach dem Doppel-Erfolg in Val d’Isère vermochte Stuhec wegzustecken. Ebenso eine schwierige Situation zu WM-Beginn: «Ich wusste nach dem Super-G (11. Platz), dass ich es viel besser kann. Ich brauchte einige Tage, um den Ärger zu überwinden.»

Den Ausfall im Kombinations-Slalom hingegen habe sie als weit weniger schlimm empfunden, so die Slowenin. «Dass ich nun Abfahrts-Weltmeisterin bin, ist für mich Erleichterung und Glück zugleich», sagte Stuhec. Neben der besten Abfahrerin des Weltcup-Winters winkten im Zielraum von Salastrains Stephanie Venier (Silber) und Lindsey Vonn (Bronze) ins Publikum.

Wechsel zu Stöckli

Sah sich Mutter Darja durch die Gründung des Privat-Teams in vielen Bereichen entlastet, so übernahm sie dafür vor zwei Jahren als Servicefrau. Auch nach dem Wechsel weg von Rossignol zu Stöckli ist es noch immer sie, die die Ski ihrer Tochter präpariert. Wobei ihr ein vom Schweizer Skihersteller gestellter Servicemann zur Hand geht. Der Wechsel zu Stöckli sei wichtig gewesen, sie habe etwas Neues gebraucht, betonte Stuhec auch am Sonntag. «Zudem habe ich mich vom ersten Moment an auf diesen Ski wohlgefühlt.»

Diese Aussage kommt für Walter Reusser, bei Stöckli Direktor Wintersport, nicht überraschend: «Wegen Ilkas kräftigem Fahrstil hatten wir schon lange das Gefühl, dass sie sich auf unseren Ski wohl fühlen würde. Letzten Frühling haben wir sie dann endlich einmal zu Skitests eingeladen.» Diese fanden in Davos statt, und der Vergleich mit ihrem alten Material fiel mehr als eindeutig aus. In ihrem Skibestand bei Stöckli kann die neue Weltmeisterin auch auf die alten Ski von Tina Maze zurückgreifen. «Der Siegerski von St. Moritz gehört allerdings nicht dazu», so Reusser.

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