Eine Mutter hat zum Auftakt des Prozesses wegen des Hungertods ihres schwerkranken Sohnes die Tat gestanden. In einer von ihrem Anwalt verlesenen Erklärung räumte die sichtlich aufgewühlte 30-Jährige am Freitag vor dem Landgericht Mannheim ein, den Neunjährigen 2010 verhungert haben zu lassen.
Sie mache sich schwere Vorwürfe, als Mutter versagt zu haben. Die zum Tatzeitpunkt drogenabhängige Angeklagte hatte nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Anfang 2010 beschlossen, den an einer unheilbaren Erbkrankheit leidenden Marcel zu Hause sterben zu lassen. Sie soll dem Kind wochenlang nichts zu essen gegeben haben.
Die Frau muss sich daher wegen Totschlags und Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassen verantworten. Ausserdem wird ihr vorgeworfen, während dieser Zeit einem befreundeten Dealer ihre Wohnung für dessen Geschäfte überlassen zu haben.
Mutter war überfordert
Ihr Rechtsanwalt Steffen Lindberg schilderte in der Erklärung den Zustand des Jungen, der nach Ansicht der Ärzte eine geringe Lebenserwartung hatte. Die Situation mit einem Kind, das seit 2009 taub und blind war, ausserdem nicht mehr laufen und essen konnte, habe die drogenabhängige Angeklagte überfordert.
So habe sie beschlossen, den Jungen in seiner gewohnten Umgebung sterben zu lassen, um sein Leiden zu beenden. Daher habe sie den Jungen, der zur Nahrungsaufnahme eine Sonde gelegt bekommen hatte, nicht mehr ernährt.
Wie die Angeklagte selbst schilderte, hätten ihr weder ihr damaliger Lebensgefährte – der Vater des Kindes – noch die Verwandten beigestanden. Da Marcel von 2009 an ans Bett gefesselt war, seien die Umstände immer schwieriger geworden.
Auch die Konflikte mit dem immer wieder alkoholisierten und arbeitslosen Lebensgefährten sowie die Sorgen um den älteren Sohn hätten in dieser Zeit stark zugenommen. Auch habe sie nicht gewusst, wie sie sich gegenüber dem todkranken Kind verhalten sollte.
Familie wurde vom Jugendamt betreut
Das Jugendamt hatte die sozial schwache Familie betreut. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in der Sache mittlerweile gegen eine Mitarbeiterin des Amtes und zwei Mitarbeiter eines freien Trägers.
Der Rechtsvertreter der Angeklagten geht davon aus, dass das Mannheimer Jugendamt seinen Pflichten nicht ausreichend nachgekommen ist und der Angeklagten mit ihrem schwerkranken Jungen keine adäquate Unterstützung zukommen hat lassen. Der Prozess wird am 20. Februar fortgesetzt.