Nach Massaker von Charleston: Polizei ermittelt wegen Manifests

Nach dem Massaker in einer Kirche der Stadt Charleston ermitteln die US-Behörden wegen eines angeblichen rassistischen Manifestes des Tatverdächtigen im Internet. Auf einer inzwischen gesperrten Seite finden sich Dutzende Fotos des mutmasslichen Todesschützen.

Die Methodistenkirche öffnete am Sonntag erstmals wieder nach dem Blutbad ihre Türen. (Bild: sda)

Nach dem Massaker in einer Kirche der Stadt Charleston ermitteln die US-Behörden wegen eines angeblichen rassistischen Manifestes des Tatverdächtigen im Internet. Auf einer inzwischen gesperrten Seite finden sich Dutzende Fotos des mutmasslichen Todesschützen.

Ausserdem sind dort Beschimpfungen von Schwarzen, Juden, Latinos und anderen Minderheiten aufgeführt. Ob die Internetseite tatsächlich vom mutmasslichen Täter betrieben wurde, sei Gegenstand von Ermittlungen, teilten die Polizei in Charleston und die Bundespolizei FBI mit.

Ein 21 Jahre alter weisser Mann aus South Carolina soll am Mittwoch in einer Methodistenkirche während einer Bibelstunde neun Afroamerikaner, sechs Frauen und drei Männer im Alter zwischen 26 und 87 Jahren, erschossen haben. Er habe rassistische Sprüche von sich gegeben und das Feuer eröffnet, berichtete eine Überlebende.

Das Justizministerium und die Bundespolizei FBI ermitteln wegen des Verdachts auf ein «Hassverbrechen» und «heimischen Terrorismus». Der Fall werde von jedem Winkel aus geprüft, sagte ein Sprecher.

Der «letzte Rhodesier»

Der Mann habe die Webadresse im Februar auf seinen Namen und unter der Anschrift seiner Mutter registriert, berichtete die «Washington Post» unter Berufung auf Ermittlerkreise. Dem Bericht zufolge wurde die Seite nur wenige Stunden vor der Tat bearbeitet. Auf der Internetseite breitet der Autor seine Wut und Vorurteile gegen Minderheiten aus.

In einem Text auf der Seite lastrhodesian.com heisst es: «Ich hatte keine Wahl (…) Ich habe Charleston ausgewählt, weil sie die geschichtsträchtigste Stadt in meinem Staat (South Carolina) ist und sie zeitweise den landesweit höchsten Anteil von Schwarzen im Vergleich zu Weissen hatte.»

Der Name «letzter Rhodesier» bezieht sich auf den vom südafrikanischen Apartheidregime unterstützten Staat Rhodesien, dem heutigen Simbabwe, unter seinem damaligen rassistischen Regierungschef Ian Smith.

Die Seite zeige auch Fotos von ihm, auf denen er eine Waffe halte und eine US-Flagge anspucke und verbrenne.

Angehörige versuchen zu vergeben

Am Freitag hatten Angehörige der neun Mordopfer dem mutmasslichen Täter öffentlich vergeben. Mit einer Sondererlaubnis des Richters durften sich die Verwandten bei der Anhörung des 21-Jährigen äussern. Sie sei böse und traurig, sagte eine Frau, deren Schwester erschossen wurde. Es dürfe aber keinen Raum für Hass geben, fügte sie hinzu. «Wir müssen vergeben.»

Der mutmassliche Täter, der sich wegen neunfachen Mordes sowie wegen Waffenbesitzes zur Durchführung eines Verbrechens verantworten muss, wurde per Video aus dem Gefängnis zugeschaltet. Er trug ausgeblichene Sträflingskleidung und wurde von zwei schwer bewaffneten Wärtern bewacht. Ein erster Gerichtstermin wurde auf den 23. Oktober festgesetzt.

Obama kritisiert laxes Waffengesetz

Die Familie des mutmasslichen Todesschützen äusserte Beileid für die Angehörigen der Toten. «Wir sind bestürzt und traurig», schrieben sie in einem Brief, der in einer Lokalzeitung veröffentlicht wurde. Worte könnten den Schock und die Trauer nicht ausdrücken.

US-Präsident Barack Obama sagte in San Francisco: «Rassismus bleibt ein Übel, das wir gemeinsam bekämpfen müssen.» Er kritisierte die laxen Waffengesetze. Er glaube zwar nicht, dass der Kongress bald dagegen vorgehen werde. «Aber ich vertraue darauf, dass wir irgendwann das Richtige tun.»

Auch die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton sprach sich für schärfere Waffengesetze aus. Zwar sei der Waffenbesitz «Teil des Gefüges vieler gesetzestreuer Gemeinschaften», sagte die frühere Aussenministerin in San Francisco. Das Ziel müsse aber sein, Kriminellen den Zugang zu Waffen zu versperren.

US-Medien beschrieben den Täter als Einzelgänger, der 2010 seine Schulausbildung abgebrochen habe. Zuletzt sei er mehrmals mit der Polizei in Konflikt geraten, etwa wegen unerlaubten Besitzes von verschreibungspflichtigen Medikamenten.

Kirche wieder geöffnet

Die Methodistenkirche öffnete am Sonntag erstmals wieder nach dem Blutbad ihre Türen. Gläubige drängten sich bei einem Gottesdienst auf den Bänken, auch draussen vor der Tür hatten sich viele Menschen versammelt. Sie lagen sich in den Armen, manche weinten.

Um zehn Uhr Ortszeit läuteten alle Kirchen in Charleston, aber auch Gotteshäuser in vielen anderen US-Städten im Gedenken an die Opfer ihre Glocken.

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