Der Schweizer Nachrichtendienst möchte in manchen Fällen Telefone und Computer anzapfen. Ob er dies künftig darf, entscheidet das Parlament: Der Bundesrat hat das neue Nachrichtendienstgesetz an die eidgenössischen Räte geleitet.
Grosse Änderungen brachte die Regierung nach der Vernehmlassung nicht an: Nach ihrem Willen soll der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) künftig Telefongespräche abhören, private Räume verwanzen oder in Computer eindringen dürfen.
Zu solchen Methoden greifen möchte der Nachrichtendienst nicht zuletzt in der Spionageabwehr. Heute dürften mutmassliche Spione lediglich im öffentlichen Raum beobachtet werden, gab NDB-Chef Markus Seiler vor den Medien zu bedenken. Dies sei oft wenig ergiebig.
Abschreckung für Spione
Seiler erhofft sich vom neuen Gesetz auch eine abschreckende Wirkung: Schon allein die Möglichkeit der Massnahmen könnte einen «beruhigenden Effekt» auf die Spionageszene in der Schweiz haben, sagte Seiler.
Erlaubt wären solche Massnahmen aber nicht nur im Kampf gegen verbotenen Nachrichtendienst, sondern auch im Kampf gegen Terrorismus, Proliferation, bei drohenden Angriffen auf kritische Infrastrukturen oder zur Wahrung weiterer wesentlicher Landesinteressen.
Nicht gegen Gewaltextremisten
Als wesentliche Landesinteressen gelten der Schutz der verfassungsrechtlichen Grundordnung der Schweiz, die Unterstützung der schweizerischen Aussenpolitik und der Schutz des Werk-, Wirtschafts- und Finanzplatzes Schweiz. Letzterer würde neu zum Einsatzgebiet des Nachrichtendienstes gehören.
Nicht zulässig wären Telefonüberwachungen zur Abwehr von gewalttätigem Extremismus. Dies ist eine Reaktion auf die Fichenaffäre Ende der 1980er Jahre: Der Ausschluss des gewalttätigen Extremismus soll verhindern, dass der Nachrichtendienst wie damals Personen wegen deren politischen Überzeugung überwacht.
Nur mit richterlicher Genehmigung
Die Überwachung von Telefonen oder Privaträumen wäre genehmigungspflichtig: Erlauben müssten die Massnahmen das Bundesverwaltungsgericht und der Verteidigungsminister, nach Konsultation des bundesrätlichen Sicherheitsausschusses.
In dringenden Fällen könnte der Direktor des Nachrichtendienstes den sofortigen Einsatz der Massnahmen anordnen. Verteidigungsminister Ueli Maurer geht davon aus, dass der Nachrichtendienst in rund zehn Fällen pro Jahr um eine Genehmigung ersuchen würde.
Letzter Versuch gescheitert
Vor sechs Jahren war der Bundesrat mit ähnlichen Vorschlägen im Parlament gescheitert. Damals ging der Mehrheit der geplante «Lauschangriff» zu weit. Inzwischen halten viele die Gesetzesänderungen für nötig, trotz der allgemeinen Empörung über die Überwachungstätigkeiten des US-Geheimdienstes NSA.
Verteidigungsminister Ueli Maurer zeigte sich vor den Medien erstaunt über die breite Zustimmung in der Vernehmlassung. Dennoch gehe er davon aus, dass im Parlament heftig über die Details diskutiert werde. Es gehe schliesslich um das Verhältnis von Bürger und Staat. In der Güterabwägung zwischen individueller Freiheit und Sicherheit könne man zu unterschiedlichen Schlüssen gelangen.
Informationen aus Kabeln filtern
Das Gesetz regelt auch die Kabelaufklärung, für die der Nachrichtendienst heute keine gesetzliche Grundlage hat. Wichtige Informationen würden immer häufiger über Kabel und nicht mehr über den Äther verbreitet, sagte Maurer dazu.
Der NDB soll deshalb neu grenzüberschreitende Signale aus Leitungsnetzen erfassen dürfen. Befindet sich sowohl der Sender als auch der Empfänger in der Schweiz, so ist die Verwendung der erfassten Signale gemäss dem Gesetzesentwurf nicht zulässig.
Keine schweizerischen Personen als Suchbegriffe
Die Suchbegriffe sind laut Gesetz ausserdem so zu definieren, «dass ihre Anwendung möglichst geringe Eingriffe in die Privatsphäre von Personen verursacht». Angaben über schweizerische natürliche oder juristische Personen wären als Suchbegriffe nicht zulässig.
«Um die Nadel zu finden, brauchen wir den Heuhaufen nicht», versicherte Seiler. Auch bei der Kabelaufklärung brachten Maurer und Seiler die Spionage ins Spiel. Die Enthüllungen von Edward Snowden hätten gezeigt, dass zunehmend auf elektronischem Weg spioniert werde.
Keine flächendeckendes Aushorchen
Maurer betonte, der Schweizer Nachrichtendienst wäre auch mit den neuen Möglichkeiten in keiner Weise vergleichbar mit dem, was die Enthüllungen von Edward Snowden über den US-Nachrichtendienst NSA zu Tage gefördert hätten. Ein Nachrichtendienst müsse aber gewisse Möglichkeiten haben, um Gefahren rechtzeitig erkennen zu können und als «Alarmglocke» zu funktionieren.
Der Bundesrat hat bei der Ausarbeitung des Gesetzes auch auf den Datendiebstahl im Nachrichtendienst reagiert. Künftig soll es dem NDB erlaubt sein, bei seinen Mitarbeitenden Personen- und Taschenkontrollen durchzuführen. Ausserdem regelt das Gesetz, welche Daten wie lange aufbewahrt werden dürfen.
Mit welchen ausländischen Nachrichtendiensten der NDB zusammen arbeitet, ist weiterhin über eine Liste geregelt, die der Bundesrat jährlich genehmigt.Verzichtet hat der Bundesrat darauf, eine Verfassungsgrundlage für den Nachrichtendienst zu schaffen.