Nationalrat bedient mit Heilmittelgesetz-Revision viele Interessen

Die Änderung des Heilmittelgesetzes betrifft Patienten, Ärzte, Bauern, Handel, Industrie und viele andere Interessen, entsprechend hart wurde um die komplexe Vorlage gefeilscht. Dieser zog der Nationalrat mehr als einen Zahn, behielt die vom Bundesrat vorgegebene Stossrichtung aber grundsätzlich bei.

Geben Apotheker bald rezeptpflichtige Medikamente ab? (Symbolbild) (Bild: sda)

Die Änderung des Heilmittelgesetzes betrifft Patienten, Ärzte, Bauern, Handel, Industrie und viele andere Interessen, entsprechend hart wurde um die komplexe Vorlage gefeilscht. Dieser zog der Nationalrat mehr als einen Zahn, behielt die vom Bundesrat vorgegebene Stossrichtung aber grundsätzlich bei.

So nützt die umfassende Revision zunächst den Patientinnen und Patienten. Sie verbessert den Zugang zu sicheren Medikamenten, indem Zulassungsverfahren präzisiert, die Aufsicht neu organisiert oder Informationen besser zugänglich gemacht werden.

Die Konsumenten profitieren auch von neuen Kompetenzen der Apotheker. Diese sollen künftig bestimmte verschreibungspflichtige Medikamente in Eigenregie abgeben dürfen. Für gewisse Schmerzmittel, Entzündungshemmer oder andere Medikamente, die keine medizinische Diagnose brauchen, könnte sich ein Gang zum Arzt schon bald erübrigen.

In der Regel ein Rezept

Die Liberalisierung geht noch weiter: Nicht rezeptpflichtige Medikamente sollen künftig auch in Drogerien erhältlich sein, gewisse Arzneimittel sogar im Detailhandel.

Auch die neue Rezeptpflicht für Ärzte macht den Kauf von Medikamenten für die Patienten einfacher: Da künftig auch dann ein Rezept ausgestellt werden muss, wenn der Arzt das Medikament in der Praxis direkt abgibt, hat der Patient immer noch die Wahl, wo er dieses beziehen will.

Der Nationalrat schwächte den Vorschlag seiner Kommission etwas ab, indem der Patient auf die Ausstellung eines Papierrezepts verzichten kann. Der Ärzteverband FMH, der vor der Debatte mit dem Referendum gedroht hatte, sprach auf Anfrage von einem «tragfähigen Kompromiss».

Rezept vor Bestellung bei Versand-Apotheke

Verschiedene Arzneimittel sollen von Swissmedic in einem vereinfachten Zulassungsverfahren bewilligt werden. Neben pflanzlichen Heilmitteln sind dies unter anderem Heilmittel, die sich im EU- und EFTA-Raum bewährt haben, traditionell eingesetzte Heilmittel sowie Arzneimittel, die seit mehr als 15 Jahren in einem Kanton zugelassen sind. Letztere Kategorie umfasst vor allem Naturheilmittel aus dem Appenzell Ausserrhoden.

Kaum im Interesse der Konsumenten ist jedoch die Einschränkung des Versandhandels. Dass die Versandapotheke das obligatorische Rezept selber besorgt, soll nach dem Willen des Nationalrats nicht mehr möglich sein. Künftig muss das Rezept vor der Bestellung vorliegen.

Lukrative Anreize für die Pharma

Ein weiteres Ziel der Revision ist die Innovationsförderung. Mit einer Marktexklusivität von 10 Jahren – für Medikamente speziell für Kinder von 12 Jahren – setzte der Nationalrat einen Anreiz für die Forschung an Therapien gegen seltene Krankheiten.

Die Linke hatten sich dagegen gewehrt, weil sich in den USA gezeigt hatte, das Marktexklusivität zu einer starken Preissteigerung führen kann, blieb jedoch erfolglos. Auch die Ausdehnung des Unterlagenschutzes konnte sie nicht verhindern.

Bei den Massnahmen gegen Interessenkonflikte in der Ärzteschaft blieb die SP ebenfalls erfolglos. Der Nationalrat will die erlaubten Zuwendungen an Leistungserbringer zwar im Bezug auf alle Heilmittel, also auch nicht verschreibungspflichtige Medikamente, Prothesen oder Medizinprodukte einschränken.

Gleichzeitig beschloss er aber Ausnahmen: Geringfügige, sozial übliche Vorteile, Unterstützungsbeiträge für Forschung und Weiterbildung, insbesondere aber handelsübliche Abgeltungen bei Bestellungen und Lieferungen von Heilmitteln sollen erlaubt bleiben. Nach Ansicht der SP besteht damit weiterhin die Gefahr, dass ein Arzt beeinflusst werden und seine Interessen über jene des Patienten stellen könnte.

Keine Antibiotika-Datenbank

Eine herbe Niederlage mussten Linke und Grüne schliesslich bei der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen hinnehmen. Der Nationalrat will dem Bundesrat zwar die Möglichkeit geben, Massnahmen zur Senkung des Antibiotikaverbrauchs in der Tiermedizin zu ergreifen. Bestimmte Wirkstoffe soll der Bundesrat ganz verbieten können, wenn dies nötig ist, um wirksame Therapien beim Menschen sicherzustellen.

Gegen die Schaffung einer Datenbank zur Überwachung des Antibiotikaverbrauchs in der Veterinärmedizin liefen jedoch die Bauernvertreter Sturm. Sie verlangten, vor deren Einführung konsultiert zu werden. Weil der Vorschlag von der Kommission in die Vorlage eingefügt wurde, gab es dazu keine Vernehmlassung.

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