Der Nationalrat hält neue Verhandlungen zum Erbschaftssteuerabkommen mit Frankreich für unrealistisch. Er lehnt es deshalb ab, das Abkommen an den Bundesrat zurückzuweisen. Stattdessen will er das Abkommen ohne Auftrag an den Bundesrat ablehnen.
Mit 132 zu 52 Stimmen bei einer Enthaltung sprach sich der Nationalrat am Mittwoch gegen die Rückweisung aus. Nun ist erneut der Ständerat am Zug. Bleibt er bei seiner Haltung, ist die Rückweisung beschlossen, und der Bundesrat erhält den Auftrag, mit Frankreich neu zu verhandeln.
Laut Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf wäre der Auftrag allerdings wirkungslos, da Frankreich nicht neu verhandeln will. Der Bundesrat rechnet damit, dass Frankreich das alte Abkommen in den nächsten Tagen kündigt, wie sie im Nationalrat sagte.
Das neue Erbschaftssteuerabkommen war in beiden Räten durchgefallen. Der Nationalrat war gar nicht erst auf das Geschäft eingetreten. Auf diesem Vorgehen konnte er am Mittwoch jedoch nicht beharren. Er hatte bei der zweiten Beratung einzig über die Rückweisung zu entscheiden.
Auftrag bringt nichts
Die Mehrheit im Nationalrat hielt es nicht für sinnvoll, den Bundesrat mit neuen Verhandlungen zu beauftragen. Solange Frankreich Verhandlungen ablehne, bringe ein solcher Auftrag nichts, argumentierten die Gegner der Rückweisung.
Die Ausgangslage sei unverändert, sagte Thomas Maier (GLP/ZH) im Namen der Wirtschaftskommission. Die Zeichen aus Frankreich seien klar, eine Wiederaufnahme von Verhandlungen sei ausgeschlossen.
Frankreich will nicht verhandeln
Frankreich hatte sich wiederholt gegen neue Verhandlungen ausgesprochen. So machte der damalige französische Finanzminister Pierre Moscovici im März bei einem Besuch in Bern deutlich, dass Frankreich nicht auf das Verhandlungsresultat zurückkommen will. Sein Nachfolger vertrete dieselbe Position, sagten die Gegner einer Rückweisung.
Die Befürworter aus dem Lager der Linken beurteilen die Lage anders. Mit den neuen französischen Ministern bestünden Chancen für neue Verhandlungen, befand Jacques-André Maire (SP/NE). Der Bundesrat müsse es zumindest versuchen. Louis Schelbert (Grüne/LU) warnte vor einem vertragslosen Zustand. Schweizer Bürger könnten nicht mehr vor einer Doppelbesteuerung geschützt werden.
Von Anfang an umstritten
Das neue Erbschaftssteuerabkommen war in der Schweiz von Beginn weg umstritten. Der Bundesrat liess sich zum einen darauf ein, weil Frankreich damit gedroht hatte, das alte Abkommen zu kündigen. Zum anderen erhoffte sich Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf, dass dies einen Durchbruch in anderen Differenzen mit Frankreich bringen könnte.
Mit dem revidierten Erbschaftssteuerabkommen würden die französischen Behörden neu die Möglichkeit erhalten, Erben in Frankreich auch dann nach französischem Recht zu besteuern, wenn der Verstorbene zuletzt in der Schweiz gelebt hat. Frankreich könnte damit Immobilien in der Schweiz besteuern.
Besser als kein Abkommen
Vor allem in der Westschweiz löste dies Protest aus. Befürchtet wurde, dass reiche Franzosen wegziehen könnten. Im Parlament wurden aber auch grundsätzliche Einwände geltend gemacht. Das Abkommen beschneide die Schweizer Steuerhoheit, monierten die Kritiker. Ein vertragsloser Zustand sei besser als ein solches Abkommen.
Der Bundesrat sieht dies anders. Widmer-Schlumpf erklärte erneut, aus Sicht von Frankreich brauche es kein Abkommen, aus Sicht der Schweiz dagegen schon. Auch der neue französische Finanzminister Michel Sapin, den sie demnächst treffen werde, vertrete die Haltung «dieses Abkommen oder keines». Das neue Abkommen sei aus Schweizer Sicht zwar kein gutes Abkommen, aber besser als keines.
Widmer-Schlumpf betonte, dass ein vertragsloser Zustand in verschiedenen Fällen zu einer Doppelbesteuerung führe. Auch werde es keine Regelung mehr geben für Fälle von doppeltem Wohnsitz. Und es werde kein Verständigungsverfahren mehr geben. Niemand werde behaupten können, das habe man nicht gewusst. Die Konsequenzen müssten allen klar sein.