Die Schweiz muss international nicht mehr akzeptierte Steuerprivilegien für Unternehmen aufgeben. Diese können dank der Unternehmenssteuerreform III mit neuen Begünstigungen rechnen. Der Nationalrat lässt es jedoch nicht beim blossen Ausgleich.
Er konnte die Beratung der Vorlage am Mittwoch zwar nicht abschliessen. Im Lauf der unterbrochenen Debatte hat er sich aber für Steuererleichterungen entschieden, die weit über die Beschlüsse des Ständerats hinausgehen. Im Zentrum der Diskussion standen ein spezielles Steuersystem für Schifffahrtsunternehmen, die sogenannte Tonnage Tax, sowie die zinsbereinigte Gewinnsteuer auf überdurchschnittlich hohem Eigenkapital.
Teure Vorwärtsstrategie
Von allen bürgerlichen Rednern nannte BDP-Chef Martin Landolt (GL) das Kind am deutlichsten beim Namen: Es gehe um eine «Vorwärtsstrategie», darum brauche es «mutige Investitionen» in den Standort Schweiz. Das bedeutet, dass nicht bloss die von der Abschaffung kantonaler Steuerstatus betroffene Unternehmen in der Schweiz gehalten, sondern neue angelockt werden sollen.
Es war die Wirtschaftskommission (WAK), die die Unternehmenssteuerreform III auf diesen Kurs getrimmt hat. Der Nationalrat ist ihr am Mittwoch gefolgt. Er ist bereit, in die «Vorwärtsstrategie» mehrere hundert Millionen Franken zusätzlich zu investieren. So hoch sind die Steuerausfälle allein beim Bund. Aus bürgerlicher Sicht ist das Geld nicht verloren, sondern kommt als neues Steuersubstrat wieder Bund, Kantonen und letztlich der ganzen Gesellschaft zugute.
Fiktiver Zins auf Eigenkapital
Konkret hat der Nationalrat zusätzliche Steuererleichterungen für Unternehmen beschlossen. Er stimmte einer zinsbereinigten Gewinnsteuer auf überdurchschnittlich hohem Eigenkapital zu. Es handelt sich dabei um den Abzug eines kalkulatorischen Zinses. Heute können nur Fremdkapitalzinsen von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Dadurch sind gut finanzierte Gesellschaften im Nachteil gegenüber solchen mit viel Fremdkapital.
Der Bundesrat hatte die zinsbereinigte Gewinnsteuer ebenfalls geprüft, wegen der hohen Kosten aber darauf verzichtet. Allein beim Bund betragen die Steuerausfälle 266 Millionen Franken. Finanzminister Ueli Maurer warnte davor, die Vorlage dadurch aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Die Kosten für die Kantone sind unklar, weil sie den Abzug gewähren können, aber nicht müssen. Die bürgerliche Mehrheit sah darum nur Vorteile. Es profitierten vor allem jene Kantone, die wenig Spielraum für Gewinnsteuersenkungen hätten, sagte FDP-Sprecher Beat Walti (ZH).
Darüber hinaus schlägt die Wirtschaftskommission vor, die Emissionsabgabe auf Eigenkapital zu streichen. Das hatte auch der Bundesrat beantragt. Der Ständerat war ihm jedoch nicht gefolgt, weil er den Kantonen mehr Bundesgeld zukommen lassen wollte. Trotz der hohen Kosten für den Bund von 228 Millionen Franken will die WAK darauf zurückkommen. Darüber wird der Nationalrat aber erst bei der Fortsetzung der Debatte entscheiden.
Deckel für Steuerabzüge
Bei den übrigen Steuererleichterungen ist der Nationalrat weitgehend der kleinen Kammer gefolgt. Im Zentrum steht die Patentbox, in der Erträge aus Patenten und anderen Immaterialgüterrechten nur teilweise besteuert werden. Zudem können Kosten für Forschung und Entwicklung zu mehr als 100 Prozent der effektiven Kosten von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden, was einer Subvention gleichkommt.
Anders als der Ständerat will der Nationalrat diesen Abzug nicht bei 150 Prozent begrenzen und auch Aufwendungen im Ausland zum Abzug zulassen. Patentbox, Inputförderung sowie die zinsbereinigte Gewinnsteuer sollen zusammengenommen jedoch zu einer steuerlichen Ermässigung von maximal 80 Prozent führen. Damit will der Nationalrat verhindern, dass Unternehmen keine Steuern zahlen oder sogar Buchverluste schreiben.
Bei den Regeln zur Aufdeckung stiller Reserven und der Teilbesteuerung von Dividenden folgte der Nationalrat dem Ständerat. Über die Höhe des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer hat er noch nicht entschieden. Es ist aber zu erwarten, dass der Nationalrat dem Antrag der WAK folgt und diesen bei 20,5 festlegt. Der Ständerat hatte 21,2 Prozent beschlossen.
Linkes Referendum
Trotzdem belaufen sich die gesamten Kosten der vom Nationalrat beschlossenen Massnahmen auf knapp 1,5 Milliarden Franken pro Jahr, allein für den Bund. Die Kosten für die Kantone lassen sich wegen der freiwilligen Massnahmen kaum abschätzen.
SP und Grüne hatten sich nicht grundsätzlich gegen die Unternehmenssteuerreform III gewehrt. Mit der Abschaffung der Steuerprivilegien geht schliesslich ein alter Wunsch der Linken in Erfüllung. Mit den zusätzlichen Abzugsmöglichkeiten und den hohen Kosten wird für SP und Grüne aber eine rote Linie überschritten. SP-Sprecher Corrado Pardini (BE) drohte offen mit dem Referendum, wenn die Steuerausfälle nicht auf 500 Millionen Franken gedrückt werden könnten.
Auch Finanzminister Ueli Maurer warnte davor, das Fuder zu überladen. Die Vorlage müsse vor dem Volk bestand haben, sagte er. Von dieser Überlegung hatte sich auch der Ständerat leiten lassen. Sobald der Nationalrat die noch ausstehenden Entscheide zur Unternehmenssteuerreform gefällt hat, geht die Vorlage zurück an die kleine Kammer.