Der Nationalrat will nichts wissen von den Vorschlägen der SVP, das Verhältnis von schweizerischem Recht und Völkerrecht neu zu regeln. Er hat parlamentarische Initiativen dazu abgelehnt.
Der Nationalrat hat parlamentarische Initiativen der SVP, das Verhältnis von schweizerischem Recht und Völkerrecht neu zu regeln, abgelehnt. Das Thema wird breit diskutiert, seit die SVP eine Volksinitiative angekündigt hat: Die Bundesverfassung soll über das Völkerrecht gestellt werden. Vorbehalten bliebe das zwingende Völkerrecht.
Dasselbe Ziel strebte Heinz Brand (SVP/GR) mit einer parlamentarischen Initiative an, welche der Nationalrat letzte Woche abgelehnt hat. Am Donnerstag hatte der Rat über zwei weitere parlamentarische Initiativen zum Thema zu befinden.
Anpassungen an internationales Recht
Gregor Rutz (SVP/ZH) schlug vor, dass schweizerisches Recht nur dann an internationales Recht angepasst werden darf, wenn die Verfassung, ein Bundesgesetz oder ein referendumspflichtiger Staatsvertrag dies vorsehen.
Rutz argumentierte, immer mehr Bestimmungen würden ausländischem Recht angeglichen, und die gerichtliche Praxis werde relativ unkritisch an Urteile internationaler Instanzen angepasst. Störend daran sei namentlich die Einschränkung der direktdemokratischen Mitwirkungsrechte.
Anliegen erfüllt
Der Nationalrat beschloss jedoch mit 126 zu 55 Stimmen, der Initiative keine Folge zu geben. Die vorberatende Kommission hatte darauf hingewiesen, dass schweizerisches Recht schon heute nur im verfassungsmässig vorgesehenen Verfahren geändert werden könne. Je nach Bedeutung der Norm sei dafür der Verfassungs-, der Gesetz- oder der Verordnungsgeber zuständig.
Ausserdem sehe die Bundesverfassung seit 2003 vor, dass völkerrechtliche Verträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthielten oder deren Umsetzung den Erlass von Gesetzen erfordere, dem fakultativen Referendum unterstellt würden. Zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge hielt die Kommission fest, dass dies Aufgabe der Gerichte sei.
Änderung der Schubert-Praxis
Luzi Stamm (SVP/AG) wollte mit seiner parlamentarischen Initiative die sogenannte Schubert-Praxis des Bundesgerichts ändern. Nach dieser entscheidet das Bundesgericht heute bei einem Konflikt zwischen den Bestimmungen des Völkerrechts und dem Landesrecht.
Gemäss der Praxis muss das Bundesgesetz angewendet werden, wenn das Parlament beim Erlass des Gesetzes den Verstoss gegen Völkerrecht bewusst in Kauf genommen hat. Dies gilt aber nicht, wenn es um einen Verstoss gegen eine internationale Menschenrechtsgarantie geht.
Vorrang für Menschenrechtsgarantien
Stamm wollte nun an die Schubert-Praxis anknüpfen ohne den Vorrang der Menschenrechtsgarantien anzuerkennen. Er wollte in der Bundesverfassung verankern, dass im Falle eines Konflikts zwischen rechtlichen Normen auf gleicher Erlassstufe stets die neuere Norm der älteren vorgeht.
Für das Verhältnis von Bundesgesetz und Staatsvertrag böte dies eine einfache Lösung, argumentierte Stamm. Auf gleicher Stufe wie Bundesgesetze stünden nämlich nur referendumspflichtige Staatsverträge.
Der Nationalrat lehnte die parlamentarische Initiative aber mit 129 zu 54 Stimmen bei 1 Enthaltung ab. Die Mehrheit befand, der Verzicht auf den Vorrang der Menschenrechtsgarantien würde einen Rückschritt gegenüber der heutigen Gerichtspraxis darstellen.
Es sei sinnvoller, Konflikte zwischen Rechtsnormen beim Erlass zu vermeiden und nach einer rechtskonformen Umsetzung zu suchen, hielt Kurt Fluri (FDP/SO) fest. Andreas Gross (SP/ZH) gab zu bedenken, dass die Umsetzung Initiative den Ausstieg aus der Europäischen Menschenrechtskonvention zur Folge haben würde.
Nach der Ablehnung der beiden Initiativen bleibe der SVP nur der Weg über eine Volksinitiative, teilte die Partei am Donnerstagabend mit. Der Grundsatzentscheid zur Lancierung soll am 25. Oktober durch die Delegiertenversammlung gefällt werden.