Der Nationalrat will keine Zivildienstleistenden in Schulen: Er lehnte einen entsprechenden Vorschlag ab. Die Argumente reichten von «schlechte Vorbilder» bis «Lehrer brauchen keine Assistenten».
Zivildienstleistende sollen nicht an Schulen eingesetzt werden. Der Nationalrat hat am Dienstag den Vorschlag des Bundesrates abgelehnt, solche Einsätze zu ermöglichen. Mit den übrigen Änderungen des Zivildienstgesetzes zeigte er sich einverstanden. Der Entscheid gegen die Einsätze von Zivis in Schulen fiel mit 94 zu 82 Stimmen. Der Rat folgte damit seiner vorberatenden Kommission, durchgesetzt haben sich SVP, FDP und CVP.
Der Bundesrat möchte die Einsätze an Schulen ermöglichen, damit der Andrang bewältigt werden kann. Weil sich seit der Abschaffung der Gewissensprüfung mehr junge Männer für den Zivildienst entscheiden, mangelt es zunehmend an Einsatzplätzen.
Pausenaufsicht und Aufgabenhilfe
Eingesetzt würden die Zivis als Assistenten im Unterricht, in Lagern, in der Pausenaufsicht, in der Aufgabenhilfe, am Mittagstisch oder im Hausdienst. Die Verantwortung für den Unterricht dürften sie nicht übernehmen.
Die Befürworterinnen und Befürworter aus den Reihen von SP, Grünen, GLP und BDP betonten, dass die Zivis keine Lehrpersonen ersetzen würden. Der Einsatz an Schulen könne aber dazu dienen, dass sich Lehrerinnen und Lehrer wieder vermehrt den pädagogischen Aufgaben widmen könnten, gab Roland Fischer (GLP/LU) zu bedenken.
Keine guten Vorbilder
Die Gegnerinnen und Gegner warnten ihrerseits vor Hilfslehrern ohne pädagogische Ausbildung. «Die Schule ist kein Tummelfeld für solche Übungen», sagte Thomas Hurter (SVP/SH). Würden die Zivis dagegen nur für die Pausenaufsicht eingesetzt, stelle sich die Frage, was sie vor und nach der Pause täten.
Die Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten sei unnötig und nicht sinnvoll, befand auch Marco Romano (CVP/TI). Das Lehrpersonal brauche keine Assistenten. Wo die Schule Unterstützung brauche, müsse die Freiwilligkeit gestärkt werden, etwa in Skilagern. Hans Fehr (SVP/ZH) brachte einen weiteren Grund vor: Wer keinen Militärdienst leisten wolle, sei kein Vorbild und gehöre deshalb nicht in die Schule.
Zivildienst zu attraktiv
Die SVP stellte sich grundsätzlich gegen die Gesetzesrevision. Sie sieht darin eine Schwächung der Armee, wie Fehr sagte. Neue Betätigungsfelder für den Zivildienst zu suchen sei der völlig falsche Weg. Die Hürden sollten vielmehr erhöht werden.
Das Ziel müsse sein, dass möglichst viele junge Männer den Militärdienst leisteten, sagte auch Andrea Geissbühler (SVP/BE). Mit den geplanten Änderungen würde der Zivildienst „noch attraktiver“. Der Nationalrat lehnte den Antrag der SVP auf Nichteintreten jedoch mit 137 zu 48 Stimmen ab.
Die «wahren Männer»
Die Befürworterinnen und Befürworter der Revision wiesen darauf hin, dass der Zivildienst weiterhin anderthalb mal so lange dauern werde wie der Militärdienst und nur jenen offen stehe, die den Militärdienst nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren könnten. Mit den geplanten Änderungen werde lediglich dem Wachstum des Zivildienstes Rechnung getragen.
Aline Trede (Grüne/BE) befand, die Zivildienstleistenden seien «die wahren und die mutigen Männer», denn sie täten etwas für die Gesellschaft. Sie scheuten sich nicht, in ein Altersheim zu gehen, «anstatt unnötig Blei in einen Hügel zu schiessen». Dies brachte ihr den Vorwurf der Respektlosigkeit ein. Evi Allemann (SP/BE) gab zu bedenken, dass sich dank des Zivildienstes weniger Wehrpflichtige auf dem «blauen Weg» verabschiedeten.
Gesuch erst nach der Rekrutierung
Zu reden gab neben den Einsätzen an Schulen insbesondere die Frage, wann Interessierte ein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst einreichen dürfen. Heute können Militärdienstpflichtige dies jederzeit tun. Das Gesuch darf auch schon vor der Rekrutierung eingereicht werden. Letzteres soll künftig nicht mehr möglich sein. Der Nationalrat folgte in diesem Punkt dem Bundesrat.
SP und Grüne setzten sich vergeblich dafür ein, beim geltenden Recht zu bleiben. Die SVP wiederum wollte zusätzlich die Möglichkeit für Gesuche während der Rekrutenschule abschaffen. Beides lehnte der Nationalrat aber ab. Auf breite Zustimmung stiess, dass Interessierte vor der Zulassung zum Zivildienst eine eintägige Einführung besuchen müssen.
Obligatorische Kurse für alle Einsätze
Ebenfalls einverstanden ist der Nationalrat damit, dass die Zivildienstleistenden für ihre Einsätze besser ausgebildet werden. Kursbesuche sollen künftig für alle Arten von Einsätzen obligatorisch sein. Bisher galt dies nur für Zivildienstleistende in der Pflege. In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat die Vorlage mit 122 zu 45 Stimmen gut. Nun ist der Ständerat am Zug.
Bundesrat Johann Schneider-Ammann gestand zu Beginn der Beratungen im Nationalrat, dass er früher skeptisch gegenüber dem Zivildienst gewesen sei. In der Zwischenzeit sei er aber zur Überzeugung gelangt, dass Zivildienstleistende engagierte junge Bürger seien, die sich für die Schweiz einsetzten. «Ich zolle den Zivis meine Anerkennung», sagte Schneider-Ammann. Die Zahlen hätten sich ausserdem stabilisiert, der Zivildienst gefährde den Armeebestand nicht.
Bei Nein im Ständerat könnte neuer Beruf entstehen
Sollte der Ständerat gleich entscheiden, könnte ein neues Berufsbild entstehen, sagte Lehrer-Präsident Beat Zemp dem SRF. Eine andere Lösung sehe ernicht – der Bericht zum Nachhören: