Bei den neuen Regeln für die Einbürgerung zeichnet sich im Parlament keine Einigung ab. Der Nationalrat hat am Donnerstag weitgehend an seinen früheren Beschlüssen festgehalten. Nun ist ein letztes Mal der Ständerat am Zug. Das Gesetz droht zu scheitern.
National- und Ständerat streiten seit geraumer Zeit über die Voraussetzungen für das Schweizer Bürgerrecht. Einig sind sie sich, dass in Zukunft die Niederlassungsbewilligung (C-Ausweis) zu den Voraussetzungen zählen soll.
Diese Verschärfung hatte der Bundesrat vorgeschlagen. Im Gegenzug möchte er aber die Mindestaufenthaltsdauer im Land von heute zwölf auf acht Jahre senken: Wer acht Jahre in der Schweiz gelebt hat, soll ein Einbürgerungsgesuch stellen dürfen. Nicht mehr die Aufenthaltsdauer, sondern die Integration soll im Vordergrund stehen.
Umstrittene Mindestaufenthaltsdauer
Der Ständerat ist damit einverstanden, der Nationalrat dagegen möchte die Hürden höher setzen. Er will die Einbürgerung nur Personen ermöglichen, die mindestens zehn Jahre in der Schweiz gelebt haben. Mit 112 zu 64 Stimmen bei 14 Enthaltungen hat die grosse Kammer am Donnerstag diese Haltung bekräftigt.
Für zehn Jahre plädierten die Fraktionen der SVP, FDP und CVP, für acht Jahre jene der SP und der Grünen. Die Grünliberalen, die bisher für acht Jahre gestimmt hatten, enthielten sich der Stimme – um Verhandlungsspielraum zu schaffen, wie sie erklärten.
Lackmustest für Demokratie
Die anderen Fraktionen sahen jedoch keinen Spielraum. Die Beschlüsse des Nationalrates seien bereits ein Kompromiss, sagte Isabelle Moret (FDP/VD) im Namen der FDP-Fraktion. Ein Teil des Nationalrates habe nämlich bei zwölf Jahren bleiben wollen. Gregor Rutz (SVP/ZH) tönte an, dass die SVP das Gesetz am Ende ablehnen könnte, sollten sich die Räte nicht auf zehn Jahre einigen.
Auch die Zustimmung der Linken ist ungewiss. Als direkte Demokratie sollte die Schweiz ein grosses Interesse daran haben, dass sich ein möglichst grosser Teil der Bevölkerung bei Wahlen und Abstimmungen äussern könne, sagte Silvia Schenker (SP/BS). Balthasar Glättli (Grüne/ZH) sprach von einem «Lackmustest einer modernen demokratischen Gesellschaft».
Feilschen um Jugendliche
Auch in anderen Fragen ist keine Einigung in Sicht, etwa bei der Einbürgerung für Jugendliche. Heute werden die Jahre, die eine Person zwischen dem zehnten und dem zwanzigsten Lebensjahr in der Schweiz verbracht hat, bei der Berechnung der Aufenthaltsdauer doppelt gezählt. Der Ständerat möchte dabei bleiben.
Der Nationalrat will jene Jahre doppelt zählen, die der Jugendliche zwischen dem fünften und dem fünfzehnten Lebensjahr in der Schweiz verbracht hat. Daran hat die grosse Kammer mit 122 zu 67 Stimmen bei 2 Enthaltungen festgehalten.
Umstritten bleibt ferner, ob die Jahre der vorläufigen Aufnahme weiterhin zur Aufenthaltsdauer zählen sollen oder nicht. Der Ständerat möchte wie der Bundesrat die Jahre der vorläufigen Aufnahme anrechnen, der Nationalrat stellt sich dagegen. Er lehnte auch einen Kompromissvorschlag der Grünliberalen ab, wonach 50 Prozent der Dauer einer vorläufigen Aufnahme angerechnet werden sollten.
Kleine Annäherung
Ebenfalls umstritten bleibt die Mindestaufenthaltsdauer in der Gemeinde und im Kanton, die heute von Ort zu Ort stark variiert. Nach dem Willen des Bundesrates und des Ständerates sollen die Kantone künftig eine Mindestaufenthaltsdauer von höchstens drei Jahren verlangen können.
Der Nationalrat möchte die Kantone dazu verpflichten, eine Mindestaufenthaltsdauer von zwei bis fünf Jahren vorzuschreiben. In diesem Punkt ist er dem Ständerat leicht entgegengekommen: Zuvor hatte er eine Mindestaufenthaltsdauer von drei bis fünf Jahren vorschreiben wollen.
Einigung bei Sprachkenntnissen
Geeinigt haben sich die Räte nur bei den sprachlichen Voraussetzungen: Einbürgerungswillige sollen sich im Alltag in Wort und Schrift in einer Landessprache verständigen können. Der Nationalrat hat diesem Kompromissvorschlag des Ständerates mit 109 zu 82 Stimmen bei 2 Enthaltungen zugestimmt.
Ursprünglich hatte der Ständerat gute, aber nur mündliche Sprachkenntnisse verlangen wollen. Der Nationalrat wollte gute Sprachkenntnisse in Wort und Schrift verlangen.
Nun ist wieder der Ständerat am Zug. Verbleiben Differenzen, wird eine Einigungskonferenz einberufen. Deren Vorschlag wird dann beiden Räten vorgelegt. Lehnt ein Rat den Vorschlag ab, ist das Gesetz gescheitert.
Eine weitere Hürde stellen die Schlussabstimmungen dar. Auch dort könnte das Gesetz noch scheitern, wenn die Verschärfungen der Rechten zu wenig weit und der Linken zu weit gehen.