Das Parlament und nicht das Stimmvolk soll den Bundesrat wählen. Der Nationalrat empfiehlt die Volksinitiative der SVP für eine Volkswahl der Landesregierung zur Ablehnung. Auf von Minderheiten eingebrachte Gegenvorschläge trat er nicht ein.
Der Nationalrat lehnte die Volksinitiative der SVP am Dienstag mit 128 zu 43 Stimmen ab. Ein Nein hatten zuvor schon der Ständerat und der Bundesrat empfohlen. Auch sie wollen dem Volk das Begehren ohne Gegenvorschlag vorlegen.
Keine Fraktion mochte sich für die Initiative der SVP erwärmen. Diese will die sieben Bundesratsmitglieder alle vier Jahre von den über fünf Millionen Wahlberechtigten wählen lassen, nach dem Majorzverfahren. Die Schweiz wäre dabei ein einziger Wahlkreis.
Mörgeli: „Geld entscheidet Wahlen nicht“
Dieses wichtige Wahlrecht dürfe dem Volk nicht länger vorenthalten werden, forderte Christoph Mörgeli (SVP/ZH) namens der Initianten. „Sie alle sind vom Volk gewählt, dem sie eine Bundesratswahl nach bestem Wissen und Gewissen nicht zutrauen“, mahnte sein Zürcher Fraktionskollege Gregor Rutz den Rat.
Im Kanton Zürich kennten sich die Menschen nicht persönlich, sagte Mörgeli. Doch die Volkswahl der Regierung funktioniere. Sechs der sieben Regierungsräte kämen vom Land, und weder Demagogen noch Millionäre würden gewählt. Auch Geld entscheide die Wahlen nicht.
Maximilian Reimann (SVP/AG) erinnerte an die Nicht-Wiederwahl Christoph Blochers 2007: Vor diesem Hintergrund sei es logisch und konsequent, zu fragen, ob es etwas besseres gebe als die Bundesratswahl durch die Bundesversammlung.
Gegner sprechen von Dauer-Wahlkampf
Gegner argumentierten mit dem Dauer-Wahlkampf, der Bundesräte belasten und der das Konkordanz- und Kollegialitätsprinzip aushebeln würde. „Lassen wir die Bundesräte in Ruhe arbeiten“, forderte Hildegard Fässler (SP/SG). „Vor nationalen Wahlen wäre die Politik gelähmt“, fügte Marianne Streiff (EVP/BE) hinzu.
Auch Justizministerin Simonetta Sommaruga plädierte für ein Nein. Mit der Volkswahl des Bundesrates seien die institutionellen Aufgaben von Exekutive – der Bundesrat wird vom Parlament beaufsichtigt – und Legislative nicht mehr klar.
Mindestens zwei Bundesratsmitglieder müssten gemäss SVP-Initiative aus den Wahlberechtigten bestimmt werden, die in den Kantonen Tessin, Waadt, Neuenburg, Genf, Jura, den französischsprachigen Gebieten der Kantone Bern, Wallis und Freiburg und den italienischsprachigen Gebieten des Kantons Graubünden leben.
Namentlich Tessiner kritisierten dies: „Das Tessin würde zum Kampfplatz um wenige Stimmen“, wandte etwa Marco Romano (CVP/TI) ein. Doch die Tessiner Stimmen wären nur Wasser auf die Mühlen eines Vertreters der Romandie oder der Deutschschweiz.
Candinas: „Wie kann man eine Minderheit so diskriminieren?“
Der Wahlkreis Schweiz würde quasi zweigeteilt, nämlich in eine deutschsprachige und eine „einigermassen lateinischsprachige“ Schweiz, doppelte der Bündner Martin Candinas (CVP) nach. Doch die Romanisch-Bündner würden im Initiativtext nicht einmal erwähnt. „Wie kann man eine Minderheit so diskriminieren?“
Zwei Minderheiten hatten Gegenvorschläge eingebracht: SP und Grüne wollten eine Vergrösserung des Bundesrates erneut aufs Tapet bringen – eine Woche nach dem Nein zur Staatsleitungsreform mit diesem Vorschlag. Das Parlament sollte die Regierung wählen, und in ihr sollten die Lateinischsprachigen „angemessen“ vertreten sein.
Balthasar Glättli (Grüne/ZH) forderte namens einer zweiten Minderheit, den – auf neun Mitglieder vergrösserten – Bundesrat vom Volk wählen zu lassen. Die grosse Kammer wollte weder auf den einen noch den anderen Vorschlag eintreten.