Im Nationalrat regt sich Unmut über den Abbau des Poststellennetzes. Die grosse Kammer will den Bundesrat beauftragen, die Agenturen aufzurüsten und für eine bessere Erreichbarkeit zu sorgen.
Am Dienstag hat sie insgesamt drei Motionen ihrer Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) angenommen. Eine davon verlangt, dass die Kriterien für die Erreichbarkeit künftig auf regionaler Ebene festgelegt werden.
Heute müssen im landesweiten Durchschnitt 90 Prozent der Bevölkerung Post-Dienstleistungen innerhalb von 20 Minuten zu Fuss oder mit dem öffentlichen Verkehr erreichen können. Das Kriterium sei untauglich und sage nichts aus über die Versorgungssituation in den einzelnen Gemeinden und Regionen, sagte Kommissionssprecher Martin Candinas (CVP/GR).
Ausbau der Agenturen
Die Motion verlangt auch, dass Dienstleistungen des Zahlungsverkehrs ebenso gut erreichbar sein müssen wie Postdienstleistungen. Heute gilt dafür ein Limit von 30 Minuten. Um die Situation zu verbessern, sollen Postagenturen künftig alle Post-Dienstleistungen anbieten müssen, inklusive Annahme von Bareinzahlungen oder Massensendungen.
So könne ein guter Service public garantiert werden, sagte Candinas. Die meisten Fraktionen unterstützten die Motion. «Wir wollen keinen neoliberalen Mager-Staat», erklärte Grünen-Präsidentin Regula Rytz (BE). Natalie Rickli (SVP/ZH) zeigte Verständnis für die Schliessung von Poststellen. Zum Grundversorgungsauftrag der Post gehörten aber gut erreichbare Postdienstleistungen, inklusive Zahlungsverkehr.
Kritik kam von den Grünliberalen. Die Post tue heute genau das, was die Politik von ihr verlange, sagte Jürg Grossen (BE). Er bezeichnete die Motion als «rückwärtsgerichteten Nostalgievorstoss». Auch FDP-Sprecher Hugues Hiltpold (GE) äusserte leise Zweifel: Überraschungen seien möglich, vor allem bei den Kosten, sagte er.
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Der Bundesrat lehnte die Motion der KVF ab. Post-Ministerin Doris Leuthard ermahnte den Nationalrat, Tatsachen und Emotionen zu trennen. Die Post erbringe Spitzen-Leistungen, sagte sie. Mit den Poststellen verliere sie aber derzeit 200 Millionen Franken pro Jahr.
Leuthard erinnerte auch daran, dass für jede geschlossene Poststelle Alternativen angeboten würden. Als Beispiel nannte sie die Möglichkeit von Bareinzahlungen an der Haustür. Zementierte Strukturen abseits des Marktes seien keine Lösung, sagte die Bundespräsidentin. Nur eine kleine Minderheit teilte diese Auffassung: Der Nationalrat nahm die Motion mit 172 zu 13 Stimmen bei 4 Enthaltungen an.
Post-Konkurrenz gestärkt
Gegenüber zwei weiteren KVF-Motionen hatte sich der Bundesrat offener gezeigt. Eine davon will im liberalisierten Teil des Marktes bessere Bedingungen für die Post-Konkurrenz schaffen. Unter anderem sollen Koppelungs-Rabatte zwischen liberalisiertem und Monopolmarkt – also über und unter 50 Gramm – verboten werden.
Zudem sollen andere Anbieter Zugang zu den Postfächern erhalten. Bisher konnten sich die Post und ihre Konkurrenten nicht über die Höhe des Entgelts dafür einigen. Schliesslich muss gemäss Motion auch der Zugang zu den Briefkästen in Wohn- und Geschäftshäusern verbessert werden.
Der Bundesrat hatte in seinem Bericht über die Evaluation des Postgesetzes vom Januar selber entsprechende Vorschläge gemacht. Die Linke und die CVP lehnten die Motion hingegen ab. Thomas Hardegger (SP/ZH) sprach von Rosinenpickerei. «Wir wollen nicht, dass sich Private dort bedienen können, wo Gewinne möglich sind, sich aber nicht an einer flächendeckenden Grundversorgung beteiligen», sagte er.
Mit der dritten Motion schliesslich fordert der Nationalrat mehr Macht für die Aufsichtsbehörde. Heute hat das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) zwar die Aufsicht über die Grundversorgung im Zahlungsverkehr sowie den Zustellpreis für abonnierte Zeitungen und Zeitschriften. Instrumente zur Durchsetzung hat es aber nicht.