Nationalrat verzichtet bei Zweitwohnungs-Gesetz auf Dringlichkeit

Das Zweitwohnungs-Gesetz wird nicht dringlich in Kraft gesetzt. Das hat der Nationalrat am Mittwoch beschlossen. Mit dem Kompromiss, den die Initianten mit der SVP und FDP ausgehandelt haben, erübrigt sich die Dringlichkeit ohnehin.

Ferienwohnungen im Wallis (Archiv) (Bild: sda)

Das Zweitwohnungs-Gesetz wird nicht dringlich in Kraft gesetzt. Das hat der Nationalrat am Mittwoch beschlossen. Mit dem Kompromiss, den die Initianten mit der SVP und FDP ausgehandelt haben, erübrigt sich die Dringlichkeit ohnehin.

Gemäss Kompromiss wollen die Initianten nämlich auf ein Referendum verzichten. So könnte der Bundesrat das Gesetz zur Umsetzung der Zweitwohnungs-Initiative nach Abschluss der parlamentarischen Beratungen zügig in Kraft setzen.

Möglicherweise kommt es dabei aber zu Verzögerungen: Wegen der vielen Differenzen sei es fraglich, ob der Ständerat die Vorlage wie geplant in der laufenden Session behandeln werde, sagte Raumplanungsministerin Doris Leuthard.

Sie äusserte sich aber erleichtert, dass der Nationalrat die Dringlichkeit fallen liess. Dies hätte lediglich zu mehr Rechtsunsicherheit geführt, sagte die Bundesrätin. Beim Verzicht auf die Dringlichkeit handelte es sich um den letzten Baustein des Kompromisses mit den Initianten.

Grosszügige Erweiterung

Vor dem Entscheid über die Dringlichkeit hatte der Nationalrat noch andere Fragen zu klären. So hielt er etwa am Grundsatz fest, dass Erstwohnungen frei in Zweitwohnungen umgewandelt werden dürfen. Erfolglos versuchten Grüne und SP durchzusetzen, dass Einschränkungen in gewissen Zonen möglich sein sollten. Sie wollten damit verhindern, dass Dorfkerne wegen hoher Immobilienpreise veröden.

Weiter entschied der Nationalrat, dass Zweitwohnungen in bestehenden Gebäuden um 30 Prozent der Fläche erweitert werden können. Von der Beschränkung auf 30 Quadratmeter, die der Ständerat vorgesehen hatte, wollte die grosse Kammer aber nichts wissen.

Martin Bäumle (GLP/ZH) warnte vergeblich, dass die Verfassungsmässigkeit solcher Erweiterungen fraglich sei. Auch Leuthard erinnerte daran, dass das Parlament nur im Rahmen der Verfassung frei sei, und diese schränke den Bau von Zweitwohnungen in Gemeinden mit mehr als 20 Prozent Zweitwohnungen auch flächenmässig ein.

Breite Unterstützung

In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat das Zweitwohnungsgesetz mit 143 zu 6 Stimmen bei 47 Enthaltungen an. Der Stimme enthielt sich eine Mehrheit der Grünen und der CVP sowie Teile der BDP. Die Vorlage geht mit gewichtigen Differenzen zurück an den Ständerat. Von der kleinen Kammer hängt es nun ab, ob der Kompromiss mit den Initianten Bestand hat.

Die wichtigsten in diesem Rahmen vereinbarten Lösungen hatte der Nationalrat schon am Dienstag beschlossen. Dazu gehört die Streichung der Ausnahme für die zur Vermietung ausgeschriebenen Wohnungen. Für die Initianten wäre es nicht akzeptabel gewesen, dass ein Inserat im Internet ausgereicht hätte, um eine Baubewilligung für eine Zweitwohnung zu erhalten. Kritiker hatten bemängelt, dass diese Nutzungsbeschränkung ohnehin kaum kontrolliert werden könnte.

Weiter sollen nicht wie vom Ständerat beschlossen alle erhaltenswerten Gebäude zu Zweitwohnungen umgenutzt werden dürfen, sondern nur geschützte oder ortsbildprägende. Wegen des unklaren Begriffs waren Bedenken laut geworden, dass Gemeinden willkürlich Gebäude für erhaltenswert erklären könnten.

Schönheitsfehler bei Hotel-Umnutzung

Und schliesslich ging es um die Umnutzung nicht mehr rentabler Hotels. Diese dürfen gemäss Nationalrat nur zu 50 Prozent zu Zweitwohnungen umgebaut werden. Auch wenn dieser arithmetische Kompromiss zur Vereinbarung mit den Initianten gehört, ist sie möglicherweise noch nicht der Weisheit letzter Schluss.

Erstens ist nicht klar, was ein existenziell bedrohter Hotelier mit der anderen Hälfte des Gebäudes anfangen soll. Und zweitens ist es – in den Worten von Bundesrätin Leuthard – unlogisch, dass bestehende Bausubstanz nur eingeschränkt umgenutzt werden soll, während Hotels zur Quersubventionierung neue Zweitwohnungen im grossen Stil bauen dürfen. Dieses vom Ständerat in die Vorlage eingefügte Privileg blieb im Nationalrat nämlich unbestritten.

Neuer Zweitwohnungs-Begriff

Gegen den Widerstand von links-grün hatte der Nationalrat auch dem Antrag seiner Kommission zugestimmt, dass touristisch bewirtschaftete Wohnungen nicht als Zweit-, sondern als Erstwohnungen gelten. Da der Begriff nur noch Einliegerwohnungen und Zweitwohnungen mit hotelähnlichem Betriebskonzept umfasst, verliert der Entscheid aber etwas an Bedeutung.

Die Rückwirkungsklauseln bleiben ebenfalls in der Vorlage. So darf eine neue Zweitwohnung gebaut werden, falls die Bauherren vor Einreichung der Initiative im Dezember 2007 konkrete Abklärungen für ein Bauvorhaben getroffen haben, das Projekt aber unverschuldet nicht haben weiter verfolgen können. Zudem sollen Zweitwohnungen ohne Einschränkung gebaut werden dürfen, wenn das Baugesuch vor Ende 2013 eingereicht wurde.

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Zum Thema sei das Dossier der Kollegen von der NZZ ans Herz gelegt. Mit der Zweitwohnungs-Initiative hat sich auch unser Kolumnist Georg Kreis auseinandergesetzt. Er schreibt: Die anstehenden Beratungen über die Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative und den neuen Finanzausgleich werden einmal mehr zum grossen Seilziehen zwischen den Kantonen.

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