Die Initiative für eine Einheitskrankenkasse entzweit Parlament und Regierung. Während der Bundesrat weiter an einem indirekten Gegenvorschlag arbeitet, wollen die Räte das Volksbegehren ohne Verzug an die Urne bringen.
Der Ständerat hatte letzten Montag eine entsprechende Motion gutgeheissen, der Nationalrat stimmte am Mittwoch vier gleich lautenden Vorstössen aus den Reihen der Bürgerlichen mit 102 zu 71 Stimmen zu. Damit beauftragt er den Bundesrat, die eidgenössische Volksinitiative «für eine öffentliche Krankenkasse» Parlament und Volk rasch und ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung zu unterbreiten.
Bürgerliche machen Druck
Thomas de Courten (SVP/BL) erinnerte daran, dass in den letzten Jahren bereits zweimal über eine Einheitskrankenkasse abgestimmt wurde. Die Fakten lägen auf dem Tisch, die Argumente seien bekannt. «Das Parlament ist entscheidungsreif», fasste er die Argumente der Mehrheit zusammen. De Courten rief den Bundesrat dazu auf, auf «unnötige Zusatzschlaufen» zu verzichten, zumal der Gegenvorschlag im Parlament ohnehin chancenlos sei.
Die Regierung hat jedoch schon Ende Februar den Entwurf für einen indirekten Gegenvorschlag in die Vernehmlassung geschickt. Dieser sieht vor, mit einer so genannten Rückversicherung eine Art Einheitskasse für die teuersten Patienten zu schaffen. Kostendämpfend wirken sollen zudem eine strikte Trennung von Grund- und Zusatzversicherung sowie eine Verfeinerung des Risikoausgleichs.
Lektion von Berset
An dem Gegenentwurf will Bundesrat Alain Berset trotz dem unmissverständlichen Signal aus beiden Räten weiter arbeiten, wie er im Nationalrat klar stellte. Er erinnerte daran, dass weder über die Rückversicherung noch über die strikte Trennung von Grund- und Zusatzversicherung bisher je breit diskutiert worden sei.
Er warnte den Nationalrat auch davor, bereits jetzt auf die eidgenössischen Wahlen von 2015 zu schielen. Verschiedentlich wurde nämlich der Verdacht geäussert, die Motionen hätten zum Ziel, die Abstimmung über die Initiative noch vor dem Wahljahr über die Bühne zu bringen. Dafür zeigte Berset kein Verständnis: Wenigstens im ersten Drittel der Legislatur müssten Reflexionen und offene Diskussionen ohne Hintergedanken an die Wahlen möglich sein, sagte er.
Ohnehin verzögere die Arbeit am Gegenvorschlag die Vorlage lediglich um elf Wochen. Berset versprach eine Botschaft bis im September. Danach sei es am Parlament, das Tempo der Arbeiten zu bestimmen. Dann könne das Parlament auch den indirekten Gegenvorschlag ablehnen – aber erst, wenn es am Zug sei.
Berset rief dem Parlament in dem Zusammenhang die Gewaltentrennung in Erinnerung. Es gehöre zu den Aufgaben und Zuständigkeiten des Bundesrats, verschiedene Meinungen anzuhören und neue Vorschläge zu machen. Und diese lasse er sich nicht vom Parlament nehmen.
Weil der Bundesrat an einem Gegenvorschlag arbeitet, verlängert sich die Behandlungsfrist um sechs Monate vom 23. Mai auf den 23. November 2013.