Bei der Reform der Altersvorsorge spielt die Nationalratskommission ihren letzten Trumpf. Sie ist bereit, auf die automatische Erhöhung des Rentenalters und die Kürzung der Witwenrenten zu verzichten. Dafür erwartet sie ein Entgegenkommen des Ständerats.
Auf den ersten Blick sieht es wie ein Durchbruch aus: Bei sieben von neun verbleibenden Differenzen haben die Vertreter von SVP, FDP und GLP nachgegeben.
Mit bloss zwei Gegenstimmen beantragt die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK), auf den sogenannten Interventionsmechanismus zu verzichten. Das sagte Kommissionspräsident Ignazio Cassis (FDP/TI) am Donnerstag vor den Bundeshausmedien. Der Mechanismus sieht vor, dass das Rentenalter automatisch auf bis zu 67 Jahre erhöht wird, sobald die AHV in finanzielle Schieflage gerät. An der Urne gilt das als chancenlos.
Auch auf die Einschnitte bei den Witwen-, Hinterlassenen und Kinderrenten will die SGK nun verzichten. Die Massnahmen hätten das finanzielle Ergebnis der Reform zwar deutlich verbessert, jedoch die Vorlage in einer Volksabstimmung in Gefahr gebracht.
Bei der Verknüpfung von Verfassungsänderung und Reformgesetz kommt die Kommission dem Ständerat ebenfalls entgegen. Laut Cassis bedeutet das, dass kein Referendum ergriffen werden muss: Fällt die Verfassungsänderung in der obligatorischen Volksabstimmung durch, ist die Gesetzesänderung ebenfalls vom Tisch. Daneben sollen nach dem Willen der SGK auch das gestaffelte Inkrafttreten der Vorlage und weitere technische Differenzen bereinigt werden.
Unnachgiebig beim AHV-Zuschlag
Im zentralen Streitpunkt jedoch bleibt die Kommission hart. Es geht um den Ausgleich für Rentenausfälle, die durch die Senkung des Umwandlungssatzes entstehen. Der Ständerat hat dafür einen Zuschlag von 70 Franken auf neue AHV-Renten und höhere Ehepaar-Renten beschlossen.
Der Nationalrat hingegen will die Rentenausfälle dadurch kompensieren, dass er die Versicherten zu höheren Spareinlagen verpflichtet. Wichtigste Massnahme ist die Abschaffung des Koordinationsabzugs, womit auf dem ganzen Lohn Beiträge gezahlt werden müssen.
Festhalten will die Kommission auch an der vom Nationalrat beschlossenen Mehrwertsteuer-Erhöhung. Zur finanziellen Stabilisierung der AHV hat die grosse Kammer zusätzlichen 0,6 Prozent zugestimmt. Der Ständerat will 1 Prozent mehr.
Grosse Erwartungen
Was sie für das Entgegenkommen erwarten, haben die Parteispitzen von SVP, FDP und GLP gleich im Anschluss an die Kommissionssitzung formuliert. «Wir machen einen Schritt auf den Ständerat zu in der klaren Hoffnung, dass er uns in zwei wichtigen Punkten entgegenkommt», sagte FDP-Präsidentin Petra Gössi (SZ) vor den Medien. Damit sind der Ausgleich für die Rentenausfälle und die AHV-Schuldenbremse gemeint.
GLP-Präsident Martin Bäumle (ZH) sprach von «Fundamentalpositionen» die aufgegeben würden. «Wir erwarten jetzt, wenn wir in so substanziellen Punkten entgegenkommen, dass uns der Ständerat auch entgegenkommt.»
Er hoffe, dass sich der Ständerat nun als echte Chambre de réflexion erweise und nicht als «stures Stöckli», sagte SVP-Präsident Albert Rösti (BE). Bei ihm liege nun die Verantwortung, dass die Vorlage nicht Schiffbruch erleide.
Mit dem Rücken zur Wand
Ihre Apelle machen die Parteipräsidenten mit dem Rücken zur Wand. Der Nationalrat berät Anfang nächster Woche ein letztes Mal über die Reform, dann ist die Einigungskonferenz am Zug. Diese setzt sich aus den 13 Mitgliedern der Ständeratskommission und einer ebenso grossen Delegation der Nationalratskommission zusammen. Die Allianz aus CVP, SP und BDP, die sich für den AHV-Zuschlag einsetzt, sind in dem Gremium in der Mehrheit.
Kommt eine Einigung zu Stande, muss die Vorlage noch die Schlussabstimmung am letzten Sessionstag überstehen. Voraussichtlich am 24. September kommt die Vorlage an die Urne.