Die erste Ausgabe des Satire-Magazins «Charlie Hebdo» nach dem tödlichen Anschlag muslimischer Fanatiker auf die Redaktion war innerhalb von Minuten ausverkauft. Aus der islamischen Welt gab es Kritik an der Mohammed-Karikatur auf der Front-Seite des Satireblattes.
Der Iran verurteilte die Karikatur des weinenden Propheten. «Das ist eine provokative Geste und für Muslime verletzend», sagte Aussenministeriumssprecherin Marsieh Afcham in Teheran. Ein türkisches Gericht ordnete die Sperre von Internetseiten an, die das «Charlie Hebdo»-Titelbild mit der Mohammed-Karikatur zeigen.
Die in der ägyptischen Hauptstadt ansässige, einflussreiche Al-Azhar-Universität – massgebliche Autorität für die mehr als eine Milliarde Sunniten – forderte hingegen Muslime auf, die «Charlie Hebdo»-Veröffentlichung zu ignorieren. Der Prophet sei «zu erhaben», um durch diese «hasserfüllte Frivolität Schaden zu erleiden».
Der Grossmufti von Jerusalem und den palästinensischen Gebieten, Mohammed Hussein, erklärte, mit neuen Karikaturen würden Hass und Ressentiments geschürt.
Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bezeichnete die Zeichnungen von «Charlie Hebdo» in einer über einen eigenen Sender verbreiteten Nachricht als «extrem dumm». Muslimische Geistliche aus Frankreich hatten ihre Gemeinden aufgefordert, Ruhe zu bewahren und die Meinungsfreiheit zu achten.
Vor einer Woche waren muslimische Fanatiker in die Redaktionsräume von «Charlie Hebdo» in Paris gestürmt und hatten zwölf Menschen erschossen, die meisten von ihnen Redaktoren. Bei weiteren Attentaten in der vergangenen Woche wurden eine Polizistin und vier Juden von einem Islamisten getötet.
Al-Kaida hat Anschläge organisiert
Der jemenitische Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida offenbarte sich unterdessen in einem Internet-Video als Drahtzieher des Anschlags auf «Charlie Hebdo». Angeordnet habe ihn Al-Kaida-Chef Aiman al-Sawahiri, erklärte einer der Anführer von Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (Aqap), Nasser Ben Ali al-Ansi.
Derweil wurde der umstrittene französische Komiker Dieudonné wegen des Vorwurfs von Terrorverherrlichung für ein Verhör in Polizeigewahrsam genommen.
Der für ein Hitler-Gruss-ähnliches Handzeichen («Quenelle») bekannte Provokateur hatte in einem Facebook-Eintrag den Solidaritätsspruch «Ich bin Charlie» abgewandelt und ihm den Nachnamen eines der islamistischen Attentäter hinzugefügt. Konkret schrieb der 48-Jährige: «Ich fühle mich wie Charlie Coulibaly».
Lage in Frankreich bleibt angespannt
In Frankreich blieb die Lage angespannt: Nach Angaben aus dem Justizministerium wurden mehr als 50 Ermittlungsverfahren wegen «Verherrlichung des Terrorismus» und 25 weitere wegen islamfeindlicher Übergriffe eingeleitet.
Premierminister Manuel Valls kündigte neue Massnahmen zum Anti-Terror-Kampf an. Ein Gesetzentwurf zur Stärkung der Geheimdienste soll nach Angaben eines Regierungssprechers bereits kommende Woche im Kabinett beraten werden.
Ansturm auf Kioske
Am Mittwoch erschien in Frankreich die erste «Charlie Hebdo»-Ausgabe seit den Gewalttaten. Der Ansturm war so gross, dass viele Interessenten leer ausgingen.
«Ich habe es nie zuvor gekauft, es entspricht auch nicht ganz meiner politischen Linie, aber es ist wichtig für mich, das Blatt heute zu kaufen und damit die Meinungsfreiheit zu unterstützen», sagte ein Käufer vor einem Pariser Kiosk – er habe ganz einfach die erste «Ausgabe der Überlebenden» kaufen wollen.
Auf der neuen Ausgabe ist eine Darstellung Mohammeds zu sehen, der ein Schild mit dem weit verbreiteten Solidaritätsaufruf «Je suis Charlie» (Ich bin Charlie) in der Hand hält. Über dem Mohammed-Bild steht: «Tout est pardonné» («Alles ist vergeben»).
Im Rest des Blattes ist drastischer Spott zu sehen, für den die Redaktion bekannt ist. So sagen Dschihadisten in einer Karikatur: «Wir sollten die Charlie-Leute in Ruhe lassen. Sonst werden die noch für Märtyrer gehalten und wenn die in den Himmel kommen, werden diese Bastarde uns die Jungfrauen wegnehmen.»
Um die riesige Nachfrage zu decken, soll das aktuelle Heft von «Charlie Hebdo» nun in einer Auflage von insgesamt fünf Millionen Exemplaren gedruckt werden. Die noch lebenden Macher wollen ihr 16-Seiten-Blatt international vertreiben. Der Inhalt wird dafür auch ins Englische, Arabische und weitere Sprachen übersetzt.
An Kiosken in der Schweiz wird das Blatt am Donnerstag erhältlich sein. Eine deutsche Fassung war nicht geplant.