Neue Flüchtlingstragödie vor Lampedusa mit dutzenden Toten

Inmitten der Debatte um Konsequenzen aus der Bootskatastrophe vor Lampedusa sind unweit der Unglücksstelle erneut dutzende Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. Mehr als 30 Schiffbrüchige kamen am Freitagabend ums Leben, als ihr überfülltes Boot 60 Seemeilen vor der Insel kenterte.

Dieses Kind konnte gerettet werden (Bild: sda)

Inmitten der Debatte um Konsequenzen aus der Bootskatastrophe vor Lampedusa sind unweit der Unglücksstelle erneut dutzende Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. Mehr als 30 Schiffbrüchige kamen am Freitagabend ums Leben, als ihr überfülltes Boot 60 Seemeilen vor der Insel kenterte.

Rund 200 der 230 bis 250 Insassen konnten nach Behördenangaben gerettet werden. Gemäss der maltesischen Marine war das Schiff in stürmischer See gekentert, als sich die Flüchtlinge an einer Seite des Bootes versammelten, um ein Militärflugzeug auf sich aufmerksam zu machen. Per Satellitentelefon konnten sie einen Notruf absetzen.

Italiens und Maltas Marine schickten sofort Schiffe und Helikopter zur Unglücksstelle, die fast schon in libyschen Gewässern liegt. Nach zehnstündiger Fahrt trafen 143 Überlebende am Samstagmorgen in der maltesischen Hauptstadt Valletta ein. Weitere 56 Menschen wurden von der italienischen Marine nach Porto Empedocle auf Sizilien gebracht, während Helikopter besonders Geschwächte nach Lampedusa flogen.

Bis Samstag wurden nach maltesischen Regierungsangaben 31 Leichen geborgen, die italienische Marine sprach von 34 Toten, die meisten Frauen und Kinder. Einige Überlebende sagten, sie seien Syrer oder Palästinenser.

Opferzahl von Tragödie Anfang Oktober steigt

Erst Anfang Oktober waren bei einem Flüchtlingsdrama vor Lampedusa etwa 360 Asylsuchende aus aus Somalia und Eritrea ums Leben gekommen. Nur 155 der geschätzt rund 545 Bootsinsassen konnten gerettet werden.

Am Samstag legte ein italienisches Militärschiff in Lampedusa an, das 339 Särge nach Porto Empedocle bringen wollte. Gleichentags hätten Taucher 20 weitere Leichen an Land gebracht, berichteten italienische Medien. Die Opfer sollen in Agrigent und anderen Städten beerdigt werden.

EU zum Handeln aufgefordert

Italien und Malta, die mitunter wegen ihres Umgangs mit den Hilfesuchenden in der Kritik stehen, riefen am Samstag die Europäische Union zum Handeln auf. Sie forderten mehr Unterstützung bei der Bewältigung des Flüchtlingsansturms.

Malta fühle sich von der EU im Stich gelassen, sagte Ministerpräsident Joseph Muscat in einem BBC-Interview. «Bisher hören wir von der EU nur leere Worte.» Muscat kündigte an, sein Land werde in der EU auf eine Änderung der Einwanderungsbestimmungen drängen. «Ich weiss nicht, wie viele Menschen noch sterben müssen, bevor etwas geschieht. Wie die Dinge im Moment stehen, machen wir unser eigenes Mittelmeer zum Friedhof», sagte Muscat.

Italiens Ministerpräsident Enrico Letta stiess ins selbe Horn wie sein maltesischer Amtskollege. «Es muss etwas auf europäischer Ebene unternommen werden, weil unser Land nicht mehr tun kann», sagte er der Zeitung «Corriere della Sera». Letta sprach von einer «dramatischen Bestätigung des Notstands».

«Trauer und Sorge»

EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström dankte den beiden Mittelmeerländern am Samstag für ihr rasches Eingreifen und erklärte, sie verfolge die Ereignisse «mit Trauer und Sorge». Zudem wünsche sie sich, dass den Solidaritätsbekundungen aus allen EU-Staaten Taten folgen werden.

Papst Franziskus, der bereits Anfang Juli bei einem Besuch auf Lampedusa die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal von Migranten angeprangert hatte, schrieb am Samstag im Kurznachrichtendienst Twitter: «Herr erbarme Dich. Allzu oft sind wir durch unser angenehmes Leben geblendet und weigern uns, diejenigen wahrzunehmen, die vor unserer Haustür sterben.»

Am Samstag wurden 440 weitere Flüchtlinge vor Lampedusa aus vier in Seenot geratenen Schiffen geborgen.

Nach UNO-Schätzungen kamen in diesem Jahr bereits 32’000 Flüchtlinge aus Nordafrika und dem Nahen Osten über das Mittelmeer nach Italien und Malta. Zwei Drittel von ihnen haben Asyl beantragt.

Nächster Artikel