Nach der Verabschiedung der neuen Verfassung hat Tunesien jetzt vorerst eine Übergangsregierung aus parteilosen Experten. Das am Wochenende vorgestellte Kabinett des 51 Jahre alten Ingenieurs Mehdi Jomaâ legte am Mittwoch den Amtseid ab.
Jomaâ löst als Regierungschef Ali Larayedh von der islamistischen Ennahda ab.
In der Nacht zuvor war das Kabinett mit grosser Mehrheit vom Parlament bei einer Vertrauensabstimmung bestätigt worden. Nach einer Marathonsitzung, die live im Fernsehen übertragen wurde, stimmten 149 Abgeordnete für die aus Experten gebildete Regierung, 20 dagegen und 24 enthielten sich.
Jomaâ hatte erst am Sonntag nach mehreren gescheiterten Anläufen und harten Verhandlungen eine neue Kabinettsliste vorgelegt. Diese stiess am Dienstag erneut auf Widerstand.
Zahlreiche Parlamentarier kritisierten in der mehr als zwölfstündigen Debatte, dass mehrere Ministerkandidaten wichtige Ämter unter dem vor drei Jahren gestürzten Machthaber Zine El Abidine Ben Ali innegehabt hätten. Im Kreuzfeuer der Kritik stand vor allem der designierte Justizminister Hafedh Ben Sala.
«Todesurteil für Revolution»
«Wenn Sie für diese Regierung stimmen, unterschreiben Sie das Todesurteil für die Revolution», rief der Abgeordnete Hichem Hosni. Jomaâ verteidigte seine Kabinettsliste. Er habe seine Minister nach «Kompetenz, Unabhängigkeit und Integrität» ausgewählt. «Wenn sich herausstellen sollte, dass irgendein Minister diesen drei Kriterien nicht entspricht, verspreche ich eine Überarbeitung» der Liste.
Zuvor hatte der neue Ministerpräsident seine politischen Prioritäten festgelegt. So sei es notwendig, die Sicherheit wiederherzustellen sowie die Bedingungen für eine Wiederbelebung der Wirtschaft zu schaffen, sagte Jomaâ. Zugleich rief er angesichts der häufigen wilden Streiks zur «sozialen Ruhe» auf.
Am Montag hatte die Führung des Landes die neue Verfassung unterzeichnet, die als wegweisend für die arabische Welt gilt. Sie verzichtet darauf, den Islam als Quelle der Gesetzgebung zu nennen, garantiert die Glaubens-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit und schreibt die Gleichheit der Geschlechter fest.
Nun soll auch rasch ein neues Wahlgesetz beschlossen werden. Wichtigstes Ziel sei es, freie Wahlen zu organisieren, sagte Jomaâ im Parlament. Die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sollen Ende 2014 stattfinden, ein genaues Datum gibt es noch nicht.