Nicht mehr die Equipe tricolore von 2010

Frankreichs Nationalteam hat nach den turbulenten letzten Jahren wieder zur Ruhe gefunden. Die Schweiz trifft heute um 21 Uhr auf eine spielfreudige, aber auch unerfahrene Mannschaft.

Locker und gelöst: der einstige Rädelsführer Patrice Evra (Bild: SI)

Frankreichs Nationalteam hat nach den turbulenten letzten Jahren wieder zur Ruhe gefunden. Die Schweiz trifft heute um 21 Uhr auf eine spielfreudige, aber auch unerfahrene Mannschaft.

Ganz vergessen ist der Spielerstreik bei der WM 2010 nicht, der genau vor vier Jahren stattfand, und als «Fiasco de Knysna» Einzug in die französische Fussballgeschichte fand. Auch in den letzten Wochen mussten Spieler und Trainer die eine oder andere Frage zum Thema beantworten. Sie taten das unaufgeregt und achteten peinlich genau darauf, keine neue Polemik auszulösen. Bislang bringt nichts das französische Team aus der Ruhe. Es herrscht vor dem Duell gegen die Schweiz eitel Sonnenschein in Ribeirão Preto, wo der Weltmeister von 1998 sein Camp errichtet hat. Vor zum Teil bis zu 10’000 Zuschauern fanden die öffentlichen Trainings statt. Danach schrieben die Spieler jeweils fleissig Autogramme.

Der Verdacht, die gute Laune sei nur gespielt, lässt sich zerstreuen. Die französischen Spieler strahlen selbst beim nicht für jeden erfreulichen Gang vor die Medien Enthusiasmus aus. Sie sind entspannt, gelöst und beantworten auch die wenigen unangenehmen Fragen mit Ruhe und nicht selten sogar mit Witz. Nationalcoach Didier Deschamps ist im humorvollen Entschärfen von potentiell gefährlichen Fragen ein Meister. So erstickte er etwa die Diskussion um die womöglich falsche Behandlung von Franck Ribéry im Keim. Selbst Patrice Evra, der Anführer der Streiktruppe von 2010, zeigte sich am Mittwoch im Gespräch von seiner angenehmen und unterhaltsamen Seite. Er freue sich wie ein Achtjähriger auf diese WM.

Seit dem 3:0 im Barrage-Rückspiel gegen die Ukraine ist die Freude im französischen Team spürbar, auch auf dem Feld. Mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit haben sich «Les Bleus» in den letzten Monaten entwickelt. Im letzten November entstand fast wie aus dem Nichts eine Mannschaft, als nach dem 0:2 in der Ukraine alle WM-Träume ausgeträumt schienen. In der heiklen Phase zwischen den beiden Duellen erkannte Deschamps, auf wen Verlass ist. Der Ausnahmetechniker Samir Nasri brachte sich damals mit seiner negativen Art um die Reise nach Brasilien. Gegen Honduras am letzten Sonntag spielten mit Ausnahme des verletzten Ribéry diejenigen, die die WM-Qualifikation bewerkstelligt hatten. Im WM-Kader finden sich nur noch vier Spieler, die schon 2010 dabei waren.

Frankreich zeichnet derzeit eine gewisse Leichtigkeit im Spielaufbau, im Kreieren von Torchancen aus. In diesem Jahr kam Deschamps‘ Team zu vier Siegen und einem Remis bei einem Torverhältnis von 18:1. Die Gegner waren mit Ausnahme von Holland (2:0) keine Grosskaliber. Aber auch gegen vermeintlich schwächere Teams tat sich Frankreich vor nicht allzu langer Zeit schwer, etwas zustande zu bringen. Meistens fehlten Tempo und Bewegung. Die Langeweile war derart, dass die Heimspiele seit 2010 oft mit Pfiffen der eigenen Fans endeten.

Nun sorgt die Offensive für Unterhaltung. Karim Benzema schoss bei seinen letzten vier Einsätzen sechs Treffer. Der 1,67 m kleine Mathieu Valbuena ist der zuverlässigste Assistgeber, der als einziger in der Ära Deschamps jedes Spiel bestritten hat. Auf dem linken Flügel hat Antoine Griezmann bei seinen bisherigen Einsätzen mit seinem Kurzpassspiel überzeugt. Die bedeutendste Neuerung, die Deschamps im französischen Spiel eingeführt hat, ist aber das defensive Dreier-Mittelfeld mit Yohan Cabaye, Blaise Matuidi und Paul Pogba, das bei den Angriffen sehr gekonnt mitmischt. Der Einsatz von Cabaye gegen die Schweiz ist allerdings fraglich. Er verspürt seit dem Match gegen Honduras Beschwerden an den Adduktoren.

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