Die Vorbereitung von Nicola Spirig auf Rio wurde durch einen Handbruch Anfang März beeinträchtigt. Trotz umgekrempeltem Formaufbau scheint für sie ein Medaillengewinn oder gar der Olympiasieg möglich.
Die Verletzung zwang Spirig zu Umstellungen. Statt Vergleiche in der WM-Serie mit unvermeidbarem Körperkontakt im Schwimmen standen Wettkämpfe im Laufen in Unterdistanzen (z.B. 3000 m auf der Bahn) und Überdistanzen (halbe Ironman-Distanz im Triathlon) im Programm.
In Absprache mit ihrem Trainer Brett Sutton ging Spirig schon vor dem Handbruch unorthodoxe Wege. Als Zwischenphase im Olympia-Zyklus setzte sie einen Lauf-Fokus mit Marathons, um in der dritten Triathlon-Disziplin noch besser zu werden.
Geschadet hat ihr der Abstecher nicht. Die fünffache Einzel-Europameisterin im Triathlon löste im Vorjahr als erste Schweizer Athletin überhaupt das Ticket für Rio, als sie an den Europa-Spielen in Baku triumphierte.
Ihre Konkurrenz in Rio wird indes viel stärker und dichter sein als jene in Baku 2015 und es auch jene von London 2012 war, vor allem von angelsächsischer Seite her. Als Hauptkonkurrentin für Spirig gilt die Amerikanerin Gwen Jorgensen (29), die Weltmeisterin der letzten zwei Jahre. Die wie Spirig extrem laufstarke Jorgensen blieb bis ins Frühjahr hinein in über einem Dutzend Rennen der WM-Serie unbesiegt.
Aber auch die nachfolgenden zwei Amerikanerinnen, die drei Engländerinnen sowie die Nummern 1 aus Australierin und Neuseeland und Flora Duffy aus Bermuda zählen zu den Medaillenkandidatinnen. WM-Leaderin Duffy gilt wie Spirig als starke Radfahrerin und kann auf dem anspruchsvollen Kurs von Rio schon in der zweiten Disziplin eine Vorentscheidung herbeiführen.
Noch nie hat ein Olympiasieger im Triathlon zweimal Gold gewinnen können. Der vierfache Olympia-Teilnehmer Simon Whitfield ist der bislang erfolgreichste olympische Triathlet. Der Kanadier gewann bei der Dreikampf-Premiere 2000 in Sydney Gold und 2008 in Peking Silber.
Für Spirig hat sich seit London 2012, der darauffolgenden Heirat mit Reto Hug und der Mutterschaft (Sohn Yannis Elia/knapp dreieinhalb) der Alltag verändert. «Ich muss flexibel sein», sagt Spirig.
Gerade der «Umweg» scheint sie als Athletin noch stärker gemacht zu haben: «Olympiasiegerin bleibe ich ein Leben lang. Deshalb kann ich auch Risiken eingehen.» Das heisst beispielsweise: schon im Radfahren selbst ohne Unterstützung einer Duffy vorausfahren.
Anhand der letzten Form-Eindrücke und eigenen Fitness-Empfindungen von Spirig scheint klar: Erreicht die Titelverteidigerin die zweite Wechselzone mit der Spitzengruppe, wird sie sich Edelmetall kaum nehmen lassen.
Spirig wird erst drei Tage vor ihrem Start aus dem Dauer-Höhentrainingslager in St. Moritz anreisen. Zweite Schweizer Olympia-Teilnehmerin im Triathlon-Event der Frauen vom 20. August ist die Urnerin Jolanda Annen, die eine Top-20-Rangierung anstrebt.
Schweiz Nummer 1 im Olympia-Ranking
Im aktuellen Olympia-Medaillenspiegel im Triathlon ist die Schweiz die Nummer 1 mit dem Gewinn von je zwei Gold- (2000 Brigitte McMahon, 2012 Spirig) und Bronzemedaillen (2000 Magali Messmer, 2004 Sven Riederer).
Bei den Männern, die am 18. August und damit zwei Tage vor den Frauen ihren Wettkampf bestreiten, ruhen die Hoffnungen auf Altmeister Riederer und dem aufstrebenden EM-Dritten Andrea Salvisberg. Die Medaillen dürften die Spanier Mario Mola und Fernando Alarza sowie der britische Titelverteidiger Alistair Brownlee und dessen Bruder Jonathan unter sich ausmachen.
Für Riederer dürfte die Wiederholung des Gewinns des Olympia-Diploms von 2012 in London (8.) wohl eine zu hohe Vorgabe sein. Der 35-jährige Zürcher Unterländer ist wie Spirig zum vierten Mal bei Olympia dabei. Nach Rio will er auf der Mittel- und Langdistanz weitermachen. «Früher oder später wird der Mythos Ironman und da insbesondere Hawaii das Ziel sein», sagt Riederer.