Als letzter Schweizer Medaillentrumpf reiste am Mittwoch die Triathletin Nicola Spirig nach Rio an. Die 34-jährige Goldmedaillengewinnerin von London überlässt bei der Vorbereitung nichts dem Zufall.
Eins vorweg: Nicola Spirig glaubt nicht, dass aus dem olympischen Triathlon am Samstag wegen zu hoher Wellen ein Duathlon wird. «Mit derartigen Gedanken beschäftige ich mich noch überhaupt nicht. Wenn nicht geschwommen werden kann, würde mir das entgegenkommen. Aber Triathlon ist die olympische Disziplin, nicht Duathlon. Ich gehe davon aus, dass die Organisatoren alles unternehmen, dass ein richtiger Triathlon zur Austragung kommt.»
Bei der Vorbereitung auf ihr wichtigstes Rennen geht Spirig keine Kompromisse ein. Die Familie flog nicht mit der gleichen Maschine nach Rio wie sie, weil «ich so lange wie möglich in der Höhenlage von St. Moritz bleiben wollte». Erst am Mittwochabend traf Spirig in Rio ein, am Donnerstagmorgen lief sie die Radstrecke ein erstes Mal ab. Die Fingernägel sind wieder silbern lackiert, genau gleich wie vor vier Jahren in London. Und zum Frühstück vor dem Rennen wird wie vor London wieder «Schoggi» getrunken.
Nicola Spirig zog auch nicht im olympischen Dorf ein. Sie bezog ein Quartier an der Copacabana, 200 Meter vom Startgelände entfernt. «Ich liebe die Olympischen Spiele. Aber um sich für einen Wettkampf vorzubereiten, ist der Rummel im olympischen Dorf nicht förderlich.» Schon vor den Spielen in Athen, Peking und London logierte Spirig vor dem Rennen nicht im Schweizer «Village».
Und wie präsentiert sich der Formstand? Schliesslich geriet die Vorbereitung durch den Handbruch im März aus den Fugen. Spirig: «Ich bin sehr gut in Form. Ich bin stolz darauf, wie ich und mein Team die Probleme lösen konnten. Nach dem Sturz in Abu Dhabi musste ich mich einer grösseren Operation unterziehen. Noch immer befinden sich 23 Schrauben und Platten in meiner Hand. Wir mussten im Training einfallsreich sein und improvisieren. Natürlich ging die Form den Bach runter. Auch mental ist es eine schwierige Situation, wenn ich mitten in der Vorbereitung plötzlich nicht einmal mehr die Schuhe selber binden kann. Aber wir planten um. Wir planten alles neu. Und ich behaupte: Der einzige Nachteil heute wegen des Unfalls ist, dass ich meinen Startplatz viel später wählen kann als das sonst der Fall gewesen wäre.»
Ein ungünstiger Startplatz könnte sich im Rennen indessen als Handicap erweisen. Denn Spirig hat viele mögliche Szenarien im Kopf. Sie sei auf alles vorbereitet, was im Rennen passieren könne, sagt sie. Das ungünstigste Szenario sieht so aus, dass die drei bis fünf Athletinnen, die vorzüglich schwimmen, vorne wegschwimmen und dann auf der Radstrecke gemeinsame Sache machen. «In so einem Fall würde es schwierig für ich», so Spirig. «Aber auch für diese Situation habe ich eine Taktik. Und die simpelste Taktik ist immer noch: schnell schwimmen, schnell radfahren, schnell rennen!»