Er war der Held. Der tragische Held. Tim Howard, der amerikanische Goalie, trug zwar den Award für den besten Spieler herum, die gesenkten Schultern machten aber klar, dass die USA verloren hatten.
Gewiss: Wenn Howard nicht gewesen wäre, hätte Belgien den Achtelfinal locker mit drei oder vier Toren Unterschied gewinnen können, und erst noch vor der Verlängerung. «Tim (Howard) ist einer der besten Goalies der Welt. Er ist unser Fels in der Brandung», sagte Verteidiger Matt Besler. «Für uns Verteidiger ist es angenehm, einen derartigen Rückhalt zu haben. Und gegen Belgien spielte er unglaublich gut.»
Tim Howard zeigte gefühlte 30 Paraden. Gemäss der FIFA waren es offiziell 16, aber auch das sind die meisten in einem WM-Spiel seit 1966. Erst in der Verlängerung fanden Kevin De Bruyne und Romelu Lukaku für Belgien das Mittel gegen den grandiosen Goalie. Die USA verkürzten durch Julian Green noch auf 1:2 und hätten sogar noch ausgleichen können; ins Penaltyschiessen schafften es die Amerikaner aber nicht mehr.
In den USA, wo das Interesse am europäischen Fussball oder dem amerikanischen «Soccer» regelmässig während Weltmeisterschaften markant ansteigt, kamen Erinnerungen hoch an eine andere unvergessene Goalie-Leistung. 1998 im Gold Cup besiegten die USA dank zehn Paraden von Kasey Keller das grosse Brasilien mit 1:0. Romario sagte damals, dass das die beste Leistung eines Torhüters gewesen sei, die er jemals gesehen habe. Howard war noch besser. Aber er und Trainer Jürgen Klinsmann mussten feststellen, dass «Tims Spiel des Lebens» (Zitat Klinsmann) nicht zum Sieg ausreichte, ja nicht einmal zu einem Penaltyschiessen.
Zählt ein Torhüter seine Paraden? «Ich auf jeden Fall nicht», so Howards Antwort, «und vor allem ist es mühsam, dass wir verloren haben. Das ist das einzige, was im Moment in meinem Kopf ist. Aber so läuft eben eine WM. 31 Mannschaften wird das Herz gebrochen. Für uns kam das Ende leider ein bisschen zu früh. Manchmal gibst du alles, dein absolut Bestes, und dennoch reicht es nicht.»
Die erste Halbzeit verlief ausgeglichen, obwohl Howard schon in der ersten Minute von Divock Origi ein erstes Mal geprüft wurde. Je länger die Partie dauerte, desto heftiger und wie Wellen rauschten die belgischen Angriffe auf das amerikanische Gehäuse zu. Aber Howard hielt alles. Ob er während all der Paraden irgendwann das Gefühl gehabt habe, dass dies die Nacht der Amerikaner sein könnte, wurde Howard gefragt. «Nein! Ich dachte: ‚Wenn das so weitergeht, dann haben wir ein gröberes Problem’».
Die Probleme akzentuierten sich in der Verlängerung. Und Howard ärgerte sich, denn «beim ersten Gegentor war ich noch am Ball dran». Das zweite belgische Goal erzielte Lukaku, letzte Saison ein Teamkollege Howards bei Everton. «Romelu (Lukaku) hat den Ball perfekt getroffen. Da hatte ich null Chance.»
Im amerikanischen Verband hofften sie noch in Salvador, dass Jeremy Matthew «Tim» Howard in vier Jahren an der nächsten WM-Endrunde in Russland wieder das Tor hüten wird. Immerhin unterzeichnete Howard bei Everton kürzlich eine Vertragsverlängerung bis 2018. «Aber derartige Entscheide treffe ich nicht voller Emotionen», so Howard. «Ich werde vorher mit wichtigen Personen noch wichtige Gespräche führen müssen.» In all seinen Verhandlungen in nächster Zeit hat Howard nach der Leistung vom Dienstag gute Argumente. Howards Leistung wird keiner, der sie gesehen hat, so schnell wieder vergessen. Und wer weiss: vielleicht hält sein Paraden-Rekord (16) ja weitere 48 Jahre.