Oberstes US-Gericht setzt Hinrichtung kurz vor Vollstreckung aus

Nach der Grauen erregenden Hinrichtung eines Häftlings im April hat jetzt ein Todeskandidat im US-Bundesstaat Missouri in letzter Minute einen zeitlichen Aufschub seiner Exekution erreicht. Doch sein Leben rettet dies wohl nicht.

Ein Gruppe von Gegnern der Todesstrafe vor Bucklews Gefängnis (Bild: sda)

Nach der Grauen erregenden Hinrichtung eines Häftlings im April hat jetzt ein Todeskandidat im US-Bundesstaat Missouri in letzter Minute einen zeitlichen Aufschub seiner Exekution erreicht. Doch sein Leben rettet dies wohl nicht.

Weniger als eine Stunde vor dem Vollstreckungstermin am Mittwoch setzte das oberste US-Gericht in Washington die Hinrichtung des Mörders Russell Bucklew aus. Der 46-Jährige hätte kurz nach Mitternacht im Bundesstaat Missouri die Giftspritze erhalten sollen. Wegen seiner gesundheitlichen Verfassung hatte er sich gegen die Verabreichung des Mittels gewehrt.

Der Entscheidung des Richters Samuel Alito gingen dramatische Stunden voraus: Zunächst hatte ein Bezirksgericht in Missouri die Exekution genehmigt. Ein höheres Bundesgericht wies das Urteil am Dienstag (Ortszeit) dann nur Stunden vor der Hinrichtung zurück, nur um kurz darauf von dem Gerichtssenat wieder überstimmt zu werden.

Schliesslich schaltete sich Alito vom Supreme Court in der US-Hauptstadt ein. Eine Entscheidung des gesamten Obersten Gerichtes wurde noch am Mittwoch erwartet. Eine Exekution kurz danach war nicht ausgeschlossen – der Hinrichtungsbefehl blieb bis Donnerstag, 00.01 Uhr Ortszeit (07.01 Uhr MESZ) in Kraft.

Quälender Todeskampf

Der Todeskandidat argumentiert, dass die Giftspritze einen Wirkstoff enthalten könne, der bei ihm einen Todeskampf mit schlimmen Qualen auslöse. Nach Angaben seiner Anwälte muss Bucklew wegen einer angeborenen Blutgefässkrankheit eine Hirnblutung und extrem starke Schmerzen befürchten. Eine «grausame und ungewöhnliche Bestrafung» sei per US-Verfassung aber verboten.

Der Fall sorgt vor allem wegen der besonders qualvollen Exekution eines Mannes Ende April in Oklahoma für Aufsehen. Clayton Lockett war erst nach 43 Minuten an den Folgen des Giftcocktails gestorben. Wegen eines Venenproblems hatten nicht alle Chemikalien die Blutbahn erreicht. Der Mann erlag schliesslich einem Herzinfarkt. Augenzeugen sprachen von grausigen Szenen.

Die Berichte hatte Millionen Amerikaner erschüttert und international Aufsehen erregt. US-Präsident Barack Obama hatte eine Prüfung der Hinrichtungsmethoden angekündigt.

Chemikalien werden knapp

Hintergrund der Auseinandersetzungen sind Nachschubprobleme der USA bei den zur Tötung eingesetzten Mitteln. Die europäischen Hersteller der Chemikalien weigern sich, sie für Hinrichtungen zur Verfügung zu stellen.

Eine Reihe von US-Bundesstaaten greift jetzt auf neue Mischungen aus obskuren Quellen zurück. Viele Behörden halten geheim, wie sie ihre Mittel beschaffen und wer sie herstellt.

So forderten Bucklews Anwälte auch, dass ihr Mandant konkret erfährt, was ihm gespritzt werden soll. Zudem wollten die Verteidiger die Hinrichtung vorsichtshalber filmen lassen, was aber von der Vollzugsanstalt abgelehnt wurde.

Der Mann hatte 1996 den neuen Lebensgefährten seiner Ex-Freundin vor den Augen von dessen Kindern erschossen und die 21-Jährige dann entführt und vergewaltigt. Er sagt, er bereue die Tat. Die Mutter des Mordopfers zeigte sich über den Aufschub verärgert. «Ich bin nicht begeistert», sagte sie dem US-Sender NBC.

Grundsatzentscheid zur Methode

Bucklews Hinrichtung wäre die erste Vollstreckung der Todesstrafe in den USA seit dem Vorfall in Oklahoma gewesen. Seitdem hat nicht nur Oklahoma Hinrichtungen vorerst für sechs Monate ausgesetzt. Viele Gerichte im Land wurden in den vergangenen drei Wochen von Berufungsanträgen regelrecht überflutet.

Der Oberste Gerichtshof könnte die Aufschiebung von Bucklews Hinrichtung nun nutzen, um grundsätzlich zu entscheiden, wie viel Schmerzrisiko Todeskandidaten zumutbar ist.

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