Mit Ray Manzarek (The Doors) ist ein weiterer grosser Rock-Orgler gestorben – was uns dazu veranlasst, an sieben unverwüstliche Klassiker zu erinnern, in denen die Orgel eine dominante Rolle spielte: Von «Light My Fire» bis «A Whiter Shade Of Pale».
Vor zwei Jahren trat er noch in Basel auf, Ray Manzarek. Gemeinsam mit seinem alten Freund, dem Gitarristen Robby Krieger, gastierte er im Grand Casino. Das passte: Manzarek war es, der nach dem Tod des Sängers Jim Morrison schaute, dass der Rubel weiterhin rollte, im Wissen, dass Mythos und Songs, für die The Doors verantwortlich zeichneten, mit einem Sechser im Lotto zu vergleichen waren. So standen Manzarek und Krieger 2011 auf der Bühne eines Basler Spielcasinos und spielten sich im hellen Scheinwerferlicht durch ihre gemeinsamen Klassiker. Zwischen ihnen: ein Sänger im Halbdunkel, ihr Morrison-Ersatz.
Was damals niemand wusste: Es sollte die letzte grosse Tour von Ray Manzarek sein. Am 20. Mai 2013 ist er im Alter von 74 Jahren nach schwerer Krankheit gestorben. Mit ihm stirbt auch das zweite grosse Erkennungsmerkmal der Doors: das Orgelspiel. Was uns dazu animiert, die Zeit zurückzudrehen. Hier sind sieben Rock-Klassiker, in denen die Orgel eine tragende Rolle spielte.
1. The Doors: «Light My Fire», 1967
Die Erfolgsgeschichte von Ray Manzarek, sie begann in den 60er-Jahren. Von Chicago war er an die Westküste gezogen, nach Los Angeles, um dort zu studieren. Dabei lernte er Jim Morrison kennen. Die beiden rauchten ihre ersten gemeinsamen Joints, lebten eine Zeit lang in der selben Wohnung – und wählten auch musikalisch einen gemeinsamen Trip: Sie gründeten die Band The Doors, die sie nach einem Essay von Aldous Huxley («The Doors of Perception») benannt hatten. Die Doors prägten den amerikanischen Rock der späten 1960er-Jahre, liebten ausufernde und aufwühlende Performances. Manzareks Rolle war dabei jene des feurigen Keyboarders, der den Texten von Morrison einen breit abgestützten Klangteppich unterlegte – und sich in den Takten dazwischen gerne virtuos in den Vordergrund spielte. Man könnte hier auf viele Songs verweisen. Aber gibt es ein berühmteres Beispiel für Örgelirock als «Light My Fire»? Kaum. Bemerkenswert ist dabei, dass das Stück vom Gitarristen der Band, von Robby Krieger geschrieben worden ist. Unsterblich gemacht haben es aber seine beiden Bandkumpels: Jim Morrison, indem er es mit vollem Körpereinsatz sang. Und Ray Manzarek, der uns diese Hookline für die Ewigkeit bescherte.
2. Deep Purple: «Child In Time», 1969
Als sie zuletzt in Basel spielten, vor wenigen Jahren erst, da verzichteten sie auf diese Hymne – zu unserem grossen Bedauern. Erklärung für diese Unterlassung war die Tatsache, dass Sänger Ian Gillan nicht mehr in die höchsten Sphären vorzudringen vermochte. Ein weiterer Grund war aber auch, dass «Child In Time» sowieso nicht mehr dasselbe war, seit Jon Lord die Band im Jahr 2002 verlassen hatte. Der Hüne an den Tasten, er hatte das Klangbild von Deep Purple jahrzehntelang geprägt, sah viele grosse Gitarristen kommen und gehen, blieb wie ein Fels in der Brandung, stand immer unglaublich cool (der Nachname verpflichtet) hinter seiner Keyboardburg und wirbelte über die Tastaturen, als sei ein Derwisch in seine Finger gedrungen. Wie Ray Manzarek hatte Lord das Piano als Kind zunächst klassisch erforscht, ehe er in eine Band eintrat und damit das Spektrum der Rockmusik erweiterte – virtuos und songdienlich, experimentell und eingängig zugleich. Und wie Manzarek erlag auch Lord einer Krebserkrankung: Der Brite starb im vergangenen Sommer. Er wurde 71 Jahre alt.
3. Santana: «Oye Como Va», 1970
Wir machen gerne den Fehler, bei Santana immerzu an den gleichnamigen Bandleader zu denken – und an sein stilbildendes Gitarrenspiel. Erinnern wir uns aber an die grossen Heuler, die schon die Woodstück-Bühne in Schwingung versetzt haben (Evil Ways), dann wird klar, dass es die Kombination aus Gitarre, Orgel und Perkussion war, die die Hippies in Ekstase versetzte.
Bestes Beispiel dafür ist ihr Cover einer Tito-Puente-Komposition: «Oye Como Va». Dieses wird mit einem unwiderstehlichem Clave-Pattern auf der Orgel eröffnet. Und nicht nur Bandleader Carlos, sondern auch sein damaliger Organist Gregg Rolie zeigt sich darauf von seiner besten Seite. Hier eine historische (und leider verwackelte) Aufnahme vom Montreux Jazz Festival, 1971.
4. Procol Harum: «A Whiter Shade Of Pale», 1967
Kaum vorzustellen, wie viele Kinder schon zu diesem Lied geörgelt worden sind! Schmacht! Seufz! Knutsch! Kuschel! Wer sich diesen Klassiker von Procol Harum anhört, denkt nur noch in Comic-Blasen. Tatsächlich nimmt ihr Beitrag zum Orgelrock heute noch einen unglaublich hohen Stellenwert ein. Unkaputtbar, diese Ballade. Wer je die Tasten einer Hammond-Orgel drücken durfte, versuchte sich an diesem, an Johann Sebastian Bach angelehnten, Choral. Das wiederum hat Filmemacher Alan Parker wunderbar aufgegriffen und in seinem herrlichen Spielfilm «The Commitments» eingebaut. Wir erinnern uns an die Szene, in der sich ein katholischer Jugendlicher auf der Kirchenorgel an «A Whiter Shade Of Pale» herantastet, allerdings nicht textsicher genug ist und sich über die kryptischen Formulierungen wundert. Ach Gott, ja, wenn ein Lied in einem Spielfilm auf diese Weise zitiert wird, dann gehört es zu den Heiligtümern der Rockgeschichte!
5. Led Zeppelin: «Thank You», 1969
Mit Liebesliedern ist es ja so eine Sache. Es gibt sie wie Sand am Meer. Und viele hinterlassen nur solange einen Eindruck, bis sie von der nächsten Welle überschwemmt werden. Dieses hier aber hat schon unzählige Beziehungs-Tsunamis unbeschadet überstanden: «Thank You» von Led Zeppelin. Ein wunderschönes Lied, romantisch, ein bisschen kitschig auch. Berührend. Und mit herrlicher Örgelibegleitung von John Paul Jones, der viel zu oft «nur» als Bassist der Jahrhundertband bezeichnet wird, dabei nicht minder virtuos auch die Tasten bediente. Und den Bass, so wie sein US-amerikanischer Kollege Ray Manzarek bei den Doors, oft en passant mit der linken Hand spielte.
6. Pink Floyd: «Echoes» (1972)
Ein weiterer grosser Keyboarder der Rockgeschichte: Rick Wright. Er gestaltete Pink Floyds Klangbild massgeblich mit und steuerte auch einige grosse Songs zum Œuvre bei, ehe er Ende der 70er-Jahre vom dominanten Roger Waters an den Rand (und aus der Band) gedrängt wurde. Vielleicht wären Songs wie «Us And Them» naheliegender, wir aber erinnern hier lieber an «Echoes» (in der «Live at Pompeii»-Version, 1972), worin sich Rick Wright und David Gilmour mit fantastischen Instrumentalpassagen in Ekstase jammten. Hier jaulen Gitarre und Orgel um die Wette, dass jedes rüdige Wolfsrudel eingeschnappt von dannen zieht! Wright starb vor fünf Jahren an einem Gehirntumor. Sein Tod begrub auch die Hoffnung vieler Pink-Floyd-Fans, dass die Band noch eine letzte grosse Tour machen würde. Was bleibt, sind die «Echoes» eines grossen Werks.
7. Brainticket: «Black Sand», 1968
Je länger wir uns mit den grossen Orgel-Orgasmen der Rockgeschichte beschäftigen, umso länger wird die Liste im Kopf. Wen gälte es nicht alles zu erwähnen? Uriah Heep! Emerson, Lake & Palmer! Manfred Mann! Aber warum nur in der Weite suchen, wenn das Gute auch so nah liegt? Brainticket wurden 1968 in Basel gegründet, Kopf der Band war der belgische Jazzprofi Joël Vandroogenbroeck. Er war angetan von den psychedelischen Klängen dieser Zeit und schuf mit «Cottonwoodhill» eine «der trippigsten Platten, die je produziert wurde», wie das Online-Portal Allmusic heute noch betont. In «Black Sand», unserem Klangbeispiel, schlaufte Vandroogenbroeck nicht nur seine wabernde Hammond-Orgel, sondern auch seine Stimme durch einen Leslieverstärker. Effektvoll, ideenreich. Und: absolut kultverdächtig!
Bonustrack! The Doors: «Riders On The Storm», 1971
Als Bonus noch ein letztes Schmankerl von Ray Manzarek. Dafür lassen wir ihn gleich selber zu Wort kommen: In diesem Film erzählt er wunderbar lebhaft, wie «Riders On The Storm» entstand – und serviert uns dazu gleich auch noch Anhörungsbeispiele auf dem Fender Rhodes-Piano. Fantastisch.
PS: Kollege Loser erinnert sich übrigens verschwommen daran, wie er früher jeweils mit seiner Clique im Sissacher Dorfpub Twist (auch dieses: selig) absackte, am Ende des Ausgangs zur Jukebox schritt und diesen Doors-Song wählte. Nicht einmal. Nicht zweimal. Sondern dreimal. Und während Manzareks repetitive Basslinie erstmals einsetzte, torkelten die Jungs nach Hause. Breit – aber auch breit grinsend, weil sie sich an der Vorstellung erfreuten, wie die verbliebenen Gäste jetzt eine halbe Ewigkeit lang von «Riders On The Storm» betröpfelt würden. Ein Rausschmeisser, dieser Song. Auch dafür: Danke, Ray Manzarek!