Oh Mann? O’Toole!

Lawrence von Arabien war seine erste Hauptrolle in einem Film – und gleichzeitig die Rolle seines Lebens. Doch erst seine späteren Filme zeigten Peter O’Toole als grossen Charakterdarsteller mit Hang zur Intrige und zur Exzentrik. Anlässlich seines Todes: eine Liste. Achtmal war er für den Oscar nominiert, erhalten hat er ihn erst 2003, zur Ehrung […]

So lernten ihn Millionen kennen: Peter O'Toole in seiner ersten Filmhauptrolle als «Lawrence of Arabia».

Lawrence von Arabien war seine erste Hauptrolle in einem Film – und gleichzeitig die Rolle seines Lebens. Doch erst seine späteren Filme zeigten Peter O’Toole als grossen Charakterdarsteller mit Hang zur Intrige und zur Exzentrik. Anlässlich seines Todes: eine Liste.

Achtmal war er für den Oscar nominiert, erhalten hat er ihn erst 2003, zur Ehrung seines Lebenswerks. Eine Auszeichnung, die ihm nicht nur behagte: Für den Ehrenoscar fühle er sich mit gut 70 Jahren noch zu jung, sagte Peter O’Toole damals. Jetzt ist der irische Schauspieler nach langer Krankheit im Alter von 81 Jahren verstorben.

1. Lawrence of Arabia (1962)

Nachdem dieser Film in die Kinos kam, wachte Peter O’Toole eines morgens auf und war berühmt. Die Rolle des britischen Offiziers Thomas Edward Lawrence, der während des Ersten Weltkriegs den Emir von Mekka im arabischen Unabhängigkeitskampf gegen das Osmanische Reich unterstützte, war die Rolle seines Lebens. An der Seite von gestandenen Filmgrössen wie Omar Sharif, Anthony Quinn und Alec Guinness spielte O’Toole den jungen Lawrence als heroisch idealistischen Gerechtigkeitskämpfer, der wie die Beduinen an seiner Seite zu Pferd durch prächtige Wüstenlandschaften prescht, um den arabischen Stämmen zur Freiheit zu verhelfen – und nach Kriegsende nach England zurückkehrt, desillusioniert von den Kolonialspielen der Engländer und der Zerstrittenheit der arabischen Stämme.

«Lawrence Of Arabia», 1963 unter anderem als bester Film und für die beste Regie mit dem Oscar ausgezeichnet, malte einen Orient, der noch stark vom Blick der kolonialistischen Exotik geprägt war: auf der einen Seite die zerstrittenen und rachsüchtigen Beduinen, auf der anderen Seite der zivilisierte Brite, der ihnen das Ideal der Freiheit bringen will – mit entschlossenem Blick, aufrecht zu Pferde. Wie O’Toole, alles andere als ein Reitfanatiker, diese überzeugende Gallopiererei hingekriegt habe, verriet er einst dem US-Talkmaster Jay Leno: Er hatte sich, bevor er in den Sattel stieg, einfach betrunken.

2. Becket (1964)

Mit den Intrigen englischer Königshäuser kannte sich O’Toole aus, schliesslich kam er als Theaterschauspieler mit Shakespeare-Erfahrung zum Film. In «Becket», einer Verfilmung des gleichnamigen Theaterstücks von Jean Anouilh, spielt er den Normannenkönig Heinrich II., der in einen Zwist mit dem Erzbischof von Canterbury (Richard Burton) gerät und diesen schliesslich beseitigen lässt. Die Rolle des Heinrich II. Muss O’Toole gefallen haben, denn vier Jahre später spielte er sie noch einmal: «The Lion In The Winter» ist nicht weniger eine königliche Intrige als «Becket»: der alternde König braucht einen Nachfolger für sein Reich, seine Ehefrau (Katherine Hepburn) konspiriert gegen ihn, weil sie ihre Söhne aus früherer Ehe in die Nähe des Throns rücken will. Zudem hat sich Heinrich II. noch eine französische Prinzessin als Geliebte genommen, die eigentlich seinem ersten Sohn zugedacht war. Viel Ehegeschrei, Säbelrasseln, und bitterböse Allzumenschlichkeiten in einem königlich-epischen Familiendrama.

3. The Ruling Class (1972)

«The Ruling Class» ist kein Historienfilm im engen Sinn, aber er handelt von einem Milieu, das derart in seinen Traditionen, seinen Riten und seinem Standesbewusstsein stecken geblieben ist, dass reichlich Patina auf ihm liegt: der britischen Aristokratie. O’Toole spielt Jack Gurney, den 14. Earl gleichen Namens, der sich als Gott der Liebe begreift und aufrecht an einem Kreuz schläft. Um ihn herum schmiedet seine adlige Sippe allerhand Ränke mittels Affären, arrangierten Ehen und Irrenanstaltseinweisungen, während Jack nach einer Elektroschock-Therapie sich nun als den Prostituiertenmörder Jack The Ripper begreift und einen mörderischen Frauenhass entwickelt. In ihm brodelt die Menschenfeindlichkeit und Mordlust, gegen aussen repräsentiert er ein ehrenwertes Mitglied der gehobenen Gesellschaft, die ihn gar ins britische Oberhaus hievt. Das Ende bleibt offen, zurück bleiben Leichen – und eine weitere Oscarnominierung für O’Toole für seine wohl beste Darbietung.

4. The Stunt Man (1980)

Nach Jahren der Rückschläge, in denen O’Tooles Filme den Ruf des «Kassenschrecks» eintrugen, feierte er in der Rolle des Regisseurs Eli Cross ein Comeback. O’Toole spielt seinen Part mit einer tyrannischen Exzentrik, benutzt die Gefühle seiner Darsteller auf niederträchtige Weise, um dem Film möglichst viel Authentizität zu verleihen, spielt zwecks Realismus zynisch mit dem Leben der Komparsen und schickt seinen von der Polizei gejagten Stuntman in eine Nervenkrise. «The Stunt Man» ist eine pechschwarze Komödie, die die Mechanismen des Films so unterhaltsam wie sarkastisch reflektiert.

5. My Favourite Year (1982)

Diese Kömodie war ganz auf Peter O’Toole zugeschnitten: er spielt eine alternde Schauspielergrösse namens Alan Swann, der in den Frühtagen des Farbfernsehens in einer TV-Show auftreten soll – und sie beinahe ruiniert. Swann grölt bereits hinter den Kulissen betrunken herum und verfällt vor der Kamera einer Panikattacke, der Showmaster Stan Kaiser, der den gefallenen Helden wieder rausschmeissen will, kriegt währenddessen Probleme mit dem korrupten Gewerkschaftsboss Rojeck, der in der Show regelmässig aufs Korn genommen wird. Die Konstellation eskaliert während der Show, als die Rojecks Schläger die Bühne stürmen, um den Showmaster in die Zange zu nehmen, und der betrunkene Swann als verkleideter Musketier sich wie Tarzan an einem Seil in die Schläger wirft, um den Showmaster zu retten. Eine Komödie aus der Kategorie Bud Spencer & Terence Hill mit vielen Prügel-, Gröl- und Saufszenen, die vor lauter Tollerei etwas die Kritik an der exponierenden TV-Industrie verpasst, aber mit einem prächtig ausgelassenen Peter O’Toole.

6. Venus (2006)

In «Venus» spielte O’Toole erneut einen gealterten Filmschauspieler (Maurice), der die Reste seiner Karriere zusammenzukratzen versucht. Aufgrund einer Prostatakrebs-Diagnose ist Maurice in Trübsal verfallen und fühlt sich unverhofft von einer 19-jährigen Göre namens Jessie angezogen, der er den Namen «Venus» gibt. Zwischen Maurice und Jessie entwickelt sich eine halbplatonische Beziehung, in der Maurice noch einmal im Leben – durch eine Prostata-Operation nun impotent – eine Form von Liebe erfahren will, während Jessie bei ihm einen Familienersatz findet, sich jedoch gleichzeitig mit jungen Männern einlässt. O’Toole spielt hier seine wohl zerbrechlichste, aber auch versöhnlichste Rolle, an deren Ende er mit seinem Kopf auf der Schulter der jungen Jessie einschläft. «Venus» brachte O’Toole seine achte Oscarnominierung als bester Hauptdarsteller ein, wieder ging der Award schliesslich an ihm vorbei – ein Rekord.

7. Katherine Of Alexandria (2014)

In den letzten Jahren seiner Karriere hat O’Toole wieder vermehrt Rollen im Historienfilm übernommen – als König Priamos in Wolfgang Petersens Homer-Adaption «Troja», als Kaiser Augustus in einer TV-Produktion, als grimmiger Bischof, der in Christian Duguays Verfilmung von Jeanne d’Arcs kurzem Leben dieselbe auf den Scheiterhaufen verdammte. Seine allerletzte Rolle wird ihn noch einmal als väterlichen Ratgeber zeigen: als römischer Politiker und Dichter Gaius Cornelius Gallus im Historiendrama «Katherine of Alexandria». Ob der Film über die christliche Märtyrerin 2014 auch in die Schweizer Kinos kommen wird, ist noch offen.

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