Steve Guerdat gewinnt dank zwei Nullfehlerritten im Olympia-Final der Springreiter im Londoner Greenwich Park die Gold-Medaille.
Der 30-jährige Westschweizer mit Wohnsitz in Herrliberg ZH zeigte mit Franzosen-Wallach Nino des Buissonnets zwei souveräne Ritte ohne Makel. Auch die (knapp bemessene) Zeitvorgabe bereitete Guerdat und seinem Wallach kein Kopfzerbrechen. Damit gelang Guerdat bei der dritten Olympia-Teilnahme endlich der grosse Wurf. In Athen (2004) verpasste Guerdat den Final, vier Jahre später in Hongkong/Peking realisierte er den 9. Platz. Eine Top-Klassierung war Guerdat im Einzel bislang nur am Weltcup-Final 2012 in ’s-Hertogenbosch gelungen (2. Platz).
Steve Guerdat musste nicht einmal durch die Nervenmühle Stechen gehen. Denn kein anderer Reiter blieb in beiden Umgängen ohne Fehler. Dem Schweizer stand die Glücksgöttin Fortuna zur Seite, deren Beistand der Schweizer Delegation in London oftmals gefehlt hatte. So verpasste der Ire Cian O’Connor das Stechen um Gold im zweiten Durchgang nur wegen einer Zeitüberschreitung um zwei Hundertstel. O’Connor hatte schon gejubelt; erst beim Verlassen der Arena realisierte er, dass er um einige wenige Zentimeter zu langsam geritten war. Der Holländer Gerco Schröder, der sich mit O’Connor in einem Stechen um Silber duellierte, hatte seine Zeitüberschreitung schon im ersten Umgang hinnehmen müssen. Das Stechen gewann Schröder, weil O’Connor das letzte Hindernis nicht mehr korrekt überspringen konnte.
Insgesamt sechs Reiter waren im ersten Umgang ohne Fehler geblieben. Aber nur Guerdat und O’Connor gelang das „Nachdoppeln“. Olivier Guillon (Fr), Scott Brash (Gb), Marcus Ehning (De) und Nick Skelton (Gb) warfen alle mindestens eine Stange ab.
Und die übrigen Schweizer? Pius Schwizer, der etwas gar laut von einer Medaille fabuliert hatte („Alles andere als eine Medaille ist eine Riesen-Enttäuschung für mich“), musste sich mit Platz 12 bescheiden. Der Weltranglistendritte startete mit nur einem Strafpunkt in den zweiten Durchgang, verpatzte dort mit der Holsteiner-Stute Carlina die Dreierkombination (zwei Abwürfe). Mit je fünf Strafpunkten pro Durchgang blieb Paul Estermann auf Eclipse der 17. Platz.
Steve Guerdat ist erst der zweite Schweizer Einzel-Olympiasieger im Springreiten. 1924 in Paris holte der Kavallerie-Offizier Alphonse Gemuseus die zuvor einzige Goldmedaille. 1996 in Atlanta holte Willi Melliger mit dem legendären Calvaro Silber. Ausserdem gab es noch zweimal Bronze: 1928 für Charles Kuhn in Amsterdam und 1984 für Heidi Robbiani-Hauri in Los Angeles.