Opfer von Straftaten und deren Angehörige sollen nach dem Abschluss des Strafverfahrens darüber informiert werden, wenn der Täter freikommt oder Hafturlaub erhält. Eine entsprechende Gesetzesanpassung wird in der Vernehmlassung zum Vorentwurf der Rechtskommission des Nationalrats begrüsst.
Während einzelne Kantone das Informationsrecht der Opfer bereits kantonal geregelt haben oder regeln wollen, strebt eine Parlamentarische Initiative von Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL) nationale Vorgaben im Rahmen des Strafgesetzbuchs, des Jugendstrafgesetzes und des Militärstrafprozesses an.
Heute erfährt ein Opfer nur während des Strafverfahrens, wenn ein mutmasslicher Täter in Haft oder auf freien Fuss gesetzt wird. Die Bedrohung des Opfers hält in vielen Fällen jedoch auch im Strafvollzug an.
Angaben über Haftort
Es kann für ein Opfer deshalb wesentlich sein, über wichtige Haftentscheide wie Entlassung, Hafturlaub oder Halbgefangenschaft des Täters informiert zu werden. Aber auch über die Flucht eines Verurteilten müssen die Behörden umgehend informieren. Weiter soll das Opfer auch erfahren, in welcher Haftanstalt ein Täter eine Strafe verbüsst.
Da es jedoch auch Opfer gibt, die nach Abschluss des Strafverfahrens möglichst nie mehr etwas zu tun haben wollen mit dem Fall, soll die Information der Opfer nur auf Gesuch hin erfolgen.
In der bis diesen Dienstag dauernden Vernehmlassung zu den Vorschlägen der nationalrätlichen Rechtskommission wird das Anrecht der Opfer auf Information grundsätzlich nicht bestritten. In diversen Stellungnahmen wird jedoch festgehalten, dass die Information verhältnismässig zu sein hat und auch dem Schutz der Privatsphäre des Täters Rechnung zu tragen ist.
Auch Interessen des Verurteilten wahren
Ein Informationsbegehren können die Behörden ausnahmsweise zum Beispiel ablehnen, wenn berechtigte Geheimhaltungsinteressen des Verurteilten gegen eine Information sprechen. Das könnte laut SP zum Beispiel dann der Fall sein, wenn das Opfer Rache oder Selbstjustiz üben könnte.
Aber: „Datenschutz darf kein Täterschutz sein“, sagt der forensische Psychiater Frank Urbaniok in einem Interview in der jüngsten Ausgabe des „Beobachters“.
Zur Definition „Angehörige“ verlangen einzelne Vernehmlassungsteilnehmer Präzisierungen. So sollte der Begriff etwa nach Ansicht der FDP auch Personen ausserhalb der Familie umfassen, wenn deren Benachrichtigung als zweckmässig erscheint, so zum Beispiel die Therapeuten von Opfern.
Unterschiedlich sind die Auffassungen zum Teil bezüglich der Frage, wem die Informationspflicht obliegen soll: dem letzturteilenden Gericht oder – wie vorgesehen – der Vollzugsbehörde.
Vorsichtsmassnahmen ermöglichen
Auch die Opferhilfeorganisation Der Weisse Ring unterstützt das Anliegen von Nationalrätin Leutenegger Oberholzer. „Für das Opfer ist es wichtig, zu wissen, wo der Täter im Strafvollzug ist, wann ein Hafturlaub ansteht, wo der Täter allenfalls extern arbeitet und wann er endgültig entlassen wird.“
Diese Informationen erlaubten dem Opfer, Vorsichtsmassnahmen zu treffen, schreibt Der Weisse Ring. So könne das Opfer gegebenenfalls seinen Aufenthaltsort ändern oder den Schutz des Freundeskreises in Anspruch nehmen, auswärts übernachten oder öffentliche Orte meiden.
Für die Opferhilfeorganisation sollte die Benachrichtigung der Opfer von Amtes wegen erfolgen, und zwar rechtzeitig und korrekt. Es müsse zudem verhindert werden, dass der Täter die Adresse des Opfers erfahren könne.