Wo Roger Federer vor seinem Saisonstart an den Australian Open steht, ist eine offene Frage. Wichtig ist für den Baselbieter, dass er die Gewissheit hat, auch mit 31 Jahren noch Chancen auf den Turniersieg zu besitzen.
Dem Mann ist in Melbourne nichts, aber auch gar nichts fremd. Er hat dort alles schon erlebt. Die gnadenlose Hitze, die verrückten Temperaturschwankungen, die fiebrigen Nachtshows in der Rod-Laver-Arena. Die gefährlichen Herausforderer, die zu Saisonbeginn ehrgeizig auf einen Ausrutscher der Superstars lauern. «Melbourne, die Australian Open», sagt Roger Federer, «das ist immer ein Sprung ins Ungewisse. Ein Balanceakt. Ein kompliziertes Turnier.» Aber, fügt Federer lächelnd hinzu, «das macht auch den Reiz aus. Das ist das Prickelnde, das Spannende, das Interessante.»
Wer nachtaktiv ist, kann die Australian Open auf dem TV-Sender «Eurosport» verfolgen, der jeweils ab ein Uhr Morgens MEZ live aus Melbourne überträgt. Auf SRF 2 werden normalerweise die Night-Sessions ab neun Uhr Morgens Schweizerzeit live gezeigt. Ausserdem ist der Schweizer Sender bei den Spielen von Roger Federer unabhängig von der Startzeit mit dabei. So auch an diesem Dienstag, wenn es ab 4.30 Uhr Federers Auftaktpartie übertragen wird. Auf der Website des Turniers können alle Spielstände in Echtzeit mitverfolgt werden.
Nein, diesen Tennis-Maestro mit seinen 17 Grand-Slam-Titeln und der grössten Lebenserfahrung aller Spieler an der Spitze kann in seinem Sport nichts mehr wirklich erschüttern. Selbst sein Versuch, das erste von vier Majors der Saison ohne ein einziges Vorbereitungsturnier zu gewinnen, ist nichts Neues für ihn. Das war in der letzten Saison auch schon so.
Die Kritik an seiner eigensinnigen Südamerika-Tour lässt Federer kalt
Als freischwebender Geist und Elder Statesmen auf der Tour hat er die Winterpause für einen längeren Familienurlaub, aber auch für eine ebenso eigensinnige wie beschwingte Showtour durch Südamerika genutzt. Die Kritik, dass ausgerechnet er als Leitfigur der Szene die falschen Zeichen setze und die Tennis-Ruhezeit fürs lukrative Herumtingeln nutze, liess ihn kalt. Er glaubt ganz einfach, niemandem noch etwas schuldig zu sein, auch nicht den Moralaposteln, die immer mal wieder die öffentliche Bühne betreten.
Wo Federer steht vor diesen Australian Open, ist vor seinem Startspiel gegen den Franzosen Benoit Paire (ATP 46) eine gute Frage. Und ein Rätsel zugleich. Federer liebt es zwar, als erklärter Favorit in die grossen Turniere zu gehen. Doch darauf kann er in diesem Fall nicht bauen – und sich damit selbst dienen: «Djokovic ist sicher der Titelkandidat Nummer 1, er ist sowieso der konstanteste Hartplatzspieler der letzten Jahre», sagt Federer, «ob ich nun der Favorit Nummer 2 oder Nummer 98 bin, ist nicht wesentlich für mich. Ich weiss nur, dass ich immer eine Chance habe, wenn ich gutes Tennis spiele.»
Das ist wahr, aber eben auch unsicher. Zumal bei den Unwägbarkeiten, die zum Grand-Slam-Schauspiel in Melbourne gehören. Favoriten straucheln wegen des frühen Saisonzeitpunkts eben gern so häufig in den ersten Runden wie nirgendwo anders bei den Major-Wettbewerben. Auch Federer hatte 2011 (Gilles Simon) und 2008 (Janko Tipsarevic) alle Mühe, ein Turnierausscheiden in der ersten Woche zu verhindern.
Das Messen mit den «toughen Jungs da draussen»
Aber rundum fit und gut gerüstet fühlt er sich allemal. Mit seinen 31 Jahren hat er noch immer allergrösste Freude daran, sich immer noch mit den Besten der Welt und den nachfolgenden Generationen zu messen: «Ich liebe diesen Druck, mich diesen toughen Jungs da draussen zu stellen», sagt der Familienvater, «ich muss heute auch härter arbeiten, um konkurrenzfähig zu bleiben. Aber das mache ich gerne.» In Melbourne könnte er der erste Spieler seit Andre Agassi im Jahr 1995 sein, der praktisch aus dem Stand zu einem Grand Slam-Titel kommt, ohne ein Pflicht-Turniermatch davor.
2012 hatte für Federer mit mehr oder weniger diskreten Enttäuschungen aufgehört, ob das nun das Heimturnier in Basel oder auch die Weltmeisterschaft in London betraf (ATP World Tour Finals). Es sei eine «sehr schöne und zugleich sehr schwierige Saison» gewesen, sagt Federer, «wegen der Olympischen Spiele konnte ich meinen Kalender nicht so takten wie gewohnt. Am Ende der Serie fehlten einfach die letzten paar Prozente in den grossen Matches.»
Das grosse Ziel ist Wimbledon – wie immer
2013 fällt Federer in den gewohnten Rhythmus zurück, mit einem streng an den Grand-Slam-Aufgaben orientierten Spielplan – und regelmässigen Wochen des Kraft- und Fitnessaufbaus auch innerhalb des Jahres. Ganz besonders die längere eigene Sommerpause, dürfte ihm zugute kommen, um auch in der zweiten Saisonhälfte, dann schon als 32-jähriger, eine tragende Rolle in der Weltspitze spielen zu können.
Eins ist aber auch klar: Wimbledon wird das Turnier sein, dem Federers Hauptaugenmerk gilt, auf das er alle seine Sinne geschärft richtet. Nicht zuletzt aus einem einfachen persönlichen Grund: «Wenn ich Wimbledon gewinne, ist die Saison immer eine gute Saison für mich.» So wie es auch 2012 war.