Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu hat Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan beschuldigt, Einfluss auf die Justiz zu nehmen. Der Chef der grössten Oppositionspartei CHP warf Erdogan am Dienstag vor, «Anordnungen an die Gerichte» zu geben.
Kilicdaroglu kündigte bei einem Protestmarsch von Ankara nach Istanbul an, Beweise dafür vorzulegen oder andernfalls seinen Abschied aus der Politik zu nehmen. An die Richter im Land appellierte er: «Urteilt nicht nach den Anordnungen aus dem Palast.»
Kilicdaroglu nannte Erdogan erneut einen «Diktator» und sagte: «Wenn mehr als 150 Journalisten im Gefängnis sind, könnt Ihr niemandem weismachen, dass es in diesem Land Demokratie gibt. Ja, in diesem Land gibt es keine Demokratie, in diesem Land gibt es keine Gerechtigkeit.»
Er warf Erdogan vor, mit der Verhängung des bis heute geltenden Ausnahmezustands nach dem Umsturzversuch vom Juli vergangenen Jahres einen weiteren «Putsch» verübt zu haben. Unter dem Ausnahmezustand wurden mehr als 100’000 Menschen aus dem Staatsdienst entlassen und über 50’000 inhaftiert.
Protestmarsch über 400 Kilometer
Kilicdaroglu führt den Protestmarsch von der Hauptstadt Ankara in die mehr als 400 Kilometer entfernte Metropole Istanbul seit Donnerstag an. Auslöser des «Gerechtigkeitsmarsches» war die Verurteilung des CHP-Abgeordneten Enis Berberoglu zu 25 Jahren Haft wegen eines Artikels über geheime Waffenlieferungen an syrische Rebellen.
Erdogan hatte Kilicdaroglu vorgeworfen, mit dem Marsch die in der Verfassung garantierte Unabhängigkeit der Gerichte zu missachten. Erdogan warnte die Teilnehmer: «Wundert Euch nicht, wenn Euch die Justiz morgen ebenfalls vorlädt.»