Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban kann nach seinem Triumph bei der Parlamentswahl womöglich weiterhin Verfassungsänderungen im Alleingang durchsetzen. Nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen kam seine rechtskonservative Fidesz-Partei am Montag auf 44,5 Prozent.
Dies entspricht im Parlament einer hauchdünnen Zwei-Drittel-Mehrheit, mit der die Partei das Land schon seit 2010 nach ihren Bedürfnissen umgestaltet. Das oppositionelle Linksbündnis von Spitzenkandidat Attila Mesterhazy kam auf 26,0 Prozent der Stimmen. Die rechtsextreme Jobbik-Partei festigte mit 20,8 Prozent ihre Stellung als drittstärkste Kraft.
Orban liess sich noch am Wahlabend von Fahnen schwenkenden Anhängern in Budapest als Sieger feiern. „Wir stehen am Beginn einer neuen und wundervollen Ära“, rief der 50-Jährige der Menge entgegen. „Die Wahlen waren frei. Organisiert in einem freien Land.“
Mesterhazy akzeptierte zwar das Wahlergebnis, wollte dem für seinen autokratischen Regierungsstil von der EU kritisierten Ministerpräsidenten aber nicht zur dritten Amtszeit gratulieren. „Orban hat seine Macht ständig missbraucht“, sagte Mesterhazy. „Ungarn ist nicht frei, ist keine Demokratie.“
Sitzverteilung noch offen
Tatsächlich kann Fidesz wegen einer von ihr durchgesetzten Wahlrechtsreform mit überproportional vielen der 199 Parlamentssitze rechnen, deren Verteilung aber noch nicht endgültig feststeht. 106 Sitze wurden erstmals nach dem Mehrheitswahlrecht vergeben, nur bei den übrigen 93 Sitzen kam es auf den landesweiten Stimmenanteil nach dem Verhältniswahlrecht an.
Für den Gesamtsieger der Wahl gibt es zudem Bonus-Mandate. Den Zuschnitt der Wahlkreise hatte Orban zu Ungunsten der Opposition verändern lassen.
Ungarische Politikexperten hatten deshalb schon im Vorfeld allenfalls „freie, aber nicht faire Wahlen“ angekündigt. Nach der Abstimmung klagte Gordon Bajnai vom Linksbündnis denn auch: „Es ist, als liefe die Fidesz ein 100-Meter-Rennen und die Opposition 400 Meter Hürden.“
Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) prangerte eine systematische Benachteiligung der Opposition an. Fidesz sei im Wahlkampf „von einer parteiischen Medienberichterstattung“ begünstigt worden, erklärte die OSZE-Wahlbeobachtermission.
Wackelige Zwei-Drittel-Mehrheit
Der Budapester Politologe Zoltan Miklosi sagte der Nachrichtenagentur AFP, Fidesz habe gegenüber dem Wahlergebnis von 52,7 Prozent vor vier Jahren sogar 600’000 Stimmen verloren. „In einem faireren System hätten sie die einfache Mehrheit geholt, aber keine Zwei-Drittel-Mehrheit.“
Mit einer solchen Mehrheit hatte Orban seit 2010 rund 850 Gesetze durchs Parlament gepaukt und die Gewaltenteilung faktisch ausgehebelt: Fast alle Spitzenämter in Politik und Justiz wurden mit Getreuen besetzt, die Medien auf Regierungskurs getrimmt. Orban hat angekündigt, seine bisherige Politik fortzusetzen.
Ob sich Fidesz aber tatsächlich erneut die Zwei-Drittel-Mehrheit sichern konnte, ist noch unklar. Im Budapester Wahlkreis Nummer 15 führt der Fidesz-Kandidat hauchdünn vor der Kandidatin des Mitte-Links-Bündnisses. Wendet sich hier noch einmal das Blatt, dann hätte die Regierungspartei keine „Super-Mehrheit“ mehr.
Rechtsextreme legen zu
Die antisemitische und rechtsextreme Jobbik-Partei, die auch durch ihre Hetze gegen die Roma-Minderheit in die Kritik geraten war, kam auf einen Stimmenanteil von 20,8 Prozent – gut vier Prozentpunkte mehr als bei der letzten Wahl 2010. Parteiführer Gabor Vona brüstete sich, vor der Europawahl Ende Mai der „erfolgreichsten radikal-nationalistischen Partei in der EU“ vorzustehen.
Die Öko-Partei Politik kann anders sein (LMP) übersprang mit 5,2 Prozent nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung im EU-Land lag am Sonntag bei 61 Prozent.