Out of Africa

Sepp Blatter prophezeite in den nächsten 20 Jahren einen afrikanischen Weltmeister. Das war vor mehr als 20 Jahren. Noch immer trennen die Afrikaner Welten von einer Chance auf den Titel.

Algeriens Trainer Vahid Halilhodzic nach dem Ausscheiden (Bild: SI)

Sepp Blatter prophezeite in den nächsten 20 Jahren einen afrikanischen Weltmeister. Das war vor mehr als 20 Jahren. Noch immer trennen die Afrikaner Welten von einer Chance auf den Titel.

Die WM in Brasilien zeigte trotz der aufopfernden Leistungen von Nigeria gegen Frankreich (0:2) und vor allem von Algerien gegen Deutschland (1:2 n.V.): Afrikas Teams tun sich schwer beim Mithalten. Und Sepp Blatter, der Präsident der FIFA, dem die afrikanischen Verbände regelmässig die Wiederwahl garantieren, wird Mühe haben, sein letzten Herbst in einer präsidialen Kolumne geäussertes Vorhaben, den Afrikanern auf Kosten Europas mehr Startplätze zuzuschanzen, durchzubringen.

Gewiss: Nigeria stand gegen Frankreich eine Stunde lang dem Führungstor nahe, einmal fehlten sogar nur ganz wenige Zentimeter (beim Offside-Goal in der ersten Halbzeit), vielleicht hätten die Franzosen in Rückstand und unter Zugzwang nicht mehr so aufdrehen können. Und natürlich hätte Algerien Deutschland eliminieren können, wenn nicht deren Goalie Manuel Neuer im Stile eines Libero weit vor seinem Strafraum Torchancen schon im Ansatz verhindert hätte. So aber bleiben die Viertelfinalqualifikationen von Kamerun (1990), Senegal (2002) und Ghana (2010) die besten WM-Abschneiden afrikanischer Vertreter.

Nigeria suchte Sündenböcke und fand sie bei den Schiedsrichtern. Die WM in Brasilien zeigte hingegen auf, an was es den Afrikanern vor allem fehlt: an der Einstellung! Nach der erfolgreichen Aufholjagd bis zur Jahrtausendwende geraten die Afrikaner nun wieder ins Hintertreffen. «Seit einem Jahrzehnt stockt die Entwicklung des afrikanischen Fussballs, denn die Spieler in Afrika finden nicht die Bedingungen vor, um sich ordentlich weiterzuentwickeln», sagt Nigerias Nationaltrainer Stephen Keshi und beanstandet einen «Mangel an Führung und Organisation». Die nationalen Ligen entwickeln sich nicht weiter, die Klubs unterhalten keine vernünftigen Ausbildungsabteilungen, die besten Spieler werden früh nach Europa verfrachtet, und das senkt wiederum das Niveau des Vereinsfussballs in Afrika. In den Verbänden ist auch wenig zu sehen von der Professionalisierung, die seit Jahren kommen soll.

Ganz anders in Europa, wo sich seit der Jahrtausendwende enorme Entwicklungen beobachten lassen. In vielen Ländern, gerade auch in der Schweiz, wurde die Nachwuchsarbeit revolutioniert. Der Fussball wurde verwissenschaftlicht, längst gehören Analysten und hochqualifizierte Spezialisten zum Stab der grossen Nationalmannschaften.

Bei den afrikanischen Teams ging es weniger professionell zu und her. Kamerun reiste wegen eines Prämienstreits 24 Stunden später an als geplant, nachdem sie schon an der WM 2002 mitten im Turnier fünf Tage lang aus dem gleichen Grund nicht trainiert hatten. Die Spieler Ghanas boykottierten ein Training und erzwagen so, dass der Verband mit einem Flugzeug Bargeld nach Brasilien flog. Ausserdem wurden Kevin-Prince Boateng und Sulley Muntari, zwei Stars der Mannschaft, nach Hause geschickt. Prämiendiskussionen verfolgten auch Nigerias Delegation während der gesamten Kampagne; sie wurde derart enthusiastisch geführt, dass die Spieler darob an einem Tag das Training «vergassen». Bei Algerien wurden die fanatischen Fans zum Problem. Der WM-Hauptprobe in Genf (2:1 gegen Rumänien) drohte wegen Fan-Ausschreitungen der Spielabbruch; in Brasilien wurde der Verband mit 50’000 Franken gebüsst, weil sich die Fans wieder ungebührlich verhielten und den russischen Goalie mit grünen Laser-Strahlen störten, was womöglich jenen Fehlgriff produzierte, der die Algerer auf Kosten der Russen überhaupt in die Achtelfinals brachte. Nur die Elfenbeinküste sorgte in Brasilien abseits des Fussballplatzes für keine Schlagzeilen.

Man solle solche Rituale respektieren, anstatt hämisch über Chaos und Unfähigkeit zu berichten, brach Kameruns Trainer Volker Finke während des Turniers eine Lanze für alle Afrikaner. Aber am Ende räumte er dennoch ein, «dass es besser wäre, wenn solche Probleme gar nicht erst auftauchten».

Aber ausgerechnet Finkes Kameruner stehen nun auch noch nach dem letzten afrikanischen Ausscheiden noch im Mittelpunkt – wegen einer Untersuchung um einen allfälligen Wettbetrug. Die 0:4-Niederlage in Manaus gegen Kroatien ist mehr als verdächtig. Der verurteilte Wettbetrüger Wilson Raj Perumal (Singapur) kündigte dem deutschen Magazin «Der Spiegel» an, dass die Afrikaner das Spiel 0:4 verlieren würden und dass schon in der ersten Halbzeit einer ihrer Spieler die Rote Karte bekäme. Beide Voraussagen trafen ein. Kameruns Verband leitete eine Untersuchung ein, in einem offiziellen Communiqué erwähnte der Verband «sieben faule Äpfel» im WM-Team.

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