Die kleine Pandai ist gerade einmal einen Monat alt. Robert Zingg, Kurator im Zoo Zürich, ist aber jetzt schon sicher, dass sie ihrem Namen dereinst alle Ehre machen wird: Er bedeutet auf Malayisch «klug», «geschickt».
Das Baby hängt auf der rechten Hüfte von Mama Xira und hält sich dort mit Händen und Füssen fest. Der Klammergriff ist lebenswichtig: Die Mutter hält Pandai nicht fest. Lässig hangelt sie von Ast zu Ast bis unters Gitterdach der Anlage. Dazu braucht die 18-Jährige beide Hände. Aber ganz sich selbst überlassen will sie die Kleine dann doch nicht: Sie zieht das rechte Knie an und sichert das Baby damit.
Pandai wurde am 12. Juni geboren. Sie ist das zweite Kind von Xira. Ihr Bruder Hadiah ist acht Jahre alt. Vater der beiden – und auch der anderen Orang-Kinder, die im Gehege herumturnen – ist Djarius. Der imposante Orang-Utan-Mann mit den typischen Backenwülsten ist knapp 21 Jahre alt.
Vom smarten Gigolo zum imposanten Brocken
Als er nach Zürich kam, war er 12 und ein smarter Gigolo. Orang-Männer haben zwei Fortpflanzungsstrategien, wie Zingg am Mittwoch vor den Medien erläuterte: Die einen behalten ein weibliches Aussehen. Nur die riesigen Hände und die Gesichtszüge verraten sie als Männchen.
Damit ersparen sie sich viel Ärger mit anderen Männchen, die sie von weitem nicht als Rivalen erkennen, wie Zingg erklärte. Die «Smarten» können deshalb in aller Ruhe den Weibchen nachsteigen – und sie tun dies auch ausgiebig.
Andere entwickeln bereits mit 11, 12 Jahren die klassischen Merkmale erwachsener Orang-Utan-Männer: Backenwülste, langes Haar, ausgeprägter Kehlsack. Die imposanten Brocken brauchen sich nicht selbst anzustrengen: Sie melden mit lautem Rufen, dass sie da sind – und die Damen kommen von selbst.
Manche Männchen ändern im Laufe der Zeit ihre Strategie. Einer von ihnen ist Djarius. Jahrelang gehörte er zu den «Smarten» und war erfolgreich damit. Immerhin ist er mittlerweile vierfacher Vater. Auf einmal, vor etwa einem halben Jahr, begann er sich zu wandeln.
Einen erkennbaren Anlass für den Wandel habe man nicht ausmachen können, so Zingg. Es sei jedenfalls «beeindruckend, was er im letzten halben Jahr hingelegt hat». Dennoch: Er könne «noch etwas imposanter werden».
Stark bedrohte Sumatra-Orang-Utans
Sumatra-Orang-Utans, wie sie im Zoo Zürich leben, sind in ihrem natürlichen Umfeld stark bedroht. Weniger als 7000 von ihnen leben noch auf Sumatra, wie Zingg sagte. Ihr Bestand ist in den letzten 75 Jahren um mehr als 80 Prozent geschrumpft. Grund dafür ist in erster Linie die Vernichtung des Regenwalds.
Dieser ist laut Zingg jedoch nicht nur Lebensraum für die Orang-Utans. Er hat auch wichtige Funktionen für die Menschen: Er schützt vor Sturmfluten, Erosion und Überschwemmungen und ist Garant für sauberes Trinkwasser.
Der Zoo Zürich engagiert sich deshalb unter anderem in Sumatra. Seine Partner sind die Schweizer Stiftung PanEco und das Sumatran Orangutan Conservation Programme, wie Zoodirektor Alex Rübel sagte.
Gemeinsam versuche man, die letzten zusammenhängenden Sumpfregenwälder an der Küste von Aceh im Norden Sumatras zu erhalten. Zudem unterstützt der Zoo den Betrieb einer Quarantänestation, wo verwaiste, konfiszierte oder verletzte Orang Utans aufgenommen, medizinisch versorgt und später in einer geschützten Gegend wieder in Freiheit entlassen werden.