Das Finanzmarktinfrastrukturgesetz ist unter Dach und Fach. Damit übernimmt die Schweiz internationale Standards für Börsen und andere Handelssysteme und Regeln für Markteilnehmer. Vorgesehen sind auch Positionslimiten für Warenderivate.
Diese sollen dazu beitragen, die Finanzmärkte zu stabilisieren. In der Finanzkrise hatte sich gezeigt, dass exzessive Spekulation mit Warenderivaten – beispielsweise Wetten auf steigende oder fallende Preise – ein Risiko für die Finanzmärkte darstellt. Zudem könnte mit Positionslimiten die Nahrungsmittelspekulation eingedämmt werden.
Eine Obergrenze für die Anzahl Derivate, die ein einzelner Marktakteur halten darf, war in der ursprünglichen Vorlage noch nicht vorgesehen. Der Ständerat nahm die Positionslimiten später ins Gesetz auf – mit dem Segen des Bundesrats. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf erklärte die Ergänzung mit der raschen internationalen Entwicklung, die auch die Schweiz zur Regulierung zwinge.
Marktzugang sichern
Die USA haben Positionslimiten im Grundsatz beschlossen. Die EU führt solche im Rahmen der Finanzmarktrichtlinie Mifid II ein, in Kraft treten sollen diese Mitte 2017. Weil sie gleichwertige Regulierungen zur Bedingung für den Marktzugang macht, ist die Gesetzesänderung für die Schweizer Finanzdienstleister von grossem Interesse. Die Branche sprach sich daher auch für Positionslimiten aus.
Trotzdem blockierte die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat zunächst deren Einführung. Es dürften keine Gesetze auf Vorrat gemacht werden, argumentierten die Gegner. Zudem sei keine Vernehmlassung durchgeführt worden. Die Gegner vermuteten auch, es handle sich um einen indirekten Gegenvorschlag zur Spekulationsstopp-Initiative der Juso.
Der Ständerat blieb standhaft. Er wollte eine Feuerwehrübung unter internationalem Druck vermeiden und darum dem Bundesrat die Möglichkeit einräumen, bei Bedarf Positionslimiten einzuführen. Widmer-Schlumpf versprach, die Vernehmlassung nachzuholen, wenn es soweit sei. Am Mittwoch wurden die Gegner im Nationalrat schliesslich überstimmt – mit Stichentscheid des Ratspräsidenten Stéphane Rossini (SP/VS).
Insgesamt gleichwertig
Daraufhin lenkte der Ständerat seinerseits in einem anderen umstrittenen Punkt ein: Geschäfte zwischen kleinen nichtfinanziellen Gegenparteien werden nicht der Meldepflicht unterstellt. Nach Ansicht der Mehrheit stellen kleine Betriebe keine Gefahr für die Stabilität des Finanzmarkts dar. Widmer-Schlumpf geht davon aus, dass die Regulierung als Paket trotzdem als gleichwertig anerkannt wird.
Bei den Strafbestimmungen setzte sich ein Kompromiss durch: Wer beim Erwerb von Aktien die Meldepflichten fahrlässig verletzt, soll zwar mit einer Busse bis 100’000 Franken bestraft werden – aber nur, falls aktienrechtlich relevante Anteile erworben wurden. Der Ständerat wollte zunächst gar kein Strafe bei Fahrlässigkeit.
Ergänzt haben die Räte ausserdem eine Ausnahme für Derivate von Rohstoffen, die tatsächlich und nicht nur virtuell gehandelt werden. Physisch gelieferte Waren seien nicht systemrelevant, hiess es. Regeln für den Hochfrequenzhandel setzten sich hingegen nicht durch.
Reaktion auf Finanzkrise
Den Rest des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes (FinfraG) haben die beiden Räte grösstenteils unverändert gutgeheissen. Kernstück sind Regeln für den ausserbörslichen Handel mit Finanzderivaten – Zertifikaten, Optionen, Futures oder Swaps. Deren Preis wird von den Kursschwankungen und Preiserwartungen anderer Werte abgeleitet. Derivate dienen sowohl der Absicherung gegen Risiken als auch der Spekulation.
Die Regulierung ist eine Folge der Finanzkrise. Diese hat gezeigt, dass nicht nur Banken, sondern auch Börsen die Stabilität der Finanzsysteme gefährden könnten – und die Märkte für ausserbörslich gehandelte Derivate (OTC).
In der Folge beschlossen die G-20-Staaten Pflichten für den Derivatehandel: Die Pflicht, standardisierte OTC-Derivatekontrakte über zentrale Gegenparteien abzurechnen (Abrechungspflicht), die Pflicht, sämtliche OTC-Derivatetransaktionen an Transaktionsregister zu melden (Meldepflicht), die Pflicht, standardisierte Derivate über Börsen oder andere elektronische Plattformen zu handeln (Plattformhandelspflicht) sowie die Pflicht zu höheren Kapitalhinterlegungen (Risikominderungspflicht).
Um den Schweizer Finanzdienstleistern den Zugang zum europäischen Markt zu sichern, gelten diese Pflichten künftig auch in der Schweiz. Zudem werden im FinfraG die heute auf verschiedene Gesetze verstreuten Bestimmungen über Organisation und Betrieb von Finanzmarktinfrastrukturen wie Börsen und andere Handelssysteme zusammengefasst.
Die Vorlage ist nun bereit für die Schlussabstimmung. Das Gesetz soll Anfang 2016 in Kraft gesetzt werden.