Das Parlament empfiehlt dem Stimmvolk, die Volksinitiative «Pro Service public» abzulehnen. Die Initiative stärke den Service public nicht, sondern schade ihm, warnten Nationalräte von links bis rechts. Kein einziger Parlamentarier unterstützt das Volksbegehren.
Von «Mogelpackung, »Etikettenschwindel« und »Wolf im Schafspelz“ war am Montag im Nationalrat während die Rede. Weil sich kein Ratsmitglied für die Initiative aussprach, stimmte der Nationalrat gar nicht erst ab. Er folgte stillschweigend dem Antrag des Bundesrates, sich gegen die Volksinitiative auszusprechen.
Diese verlangt, dass bundesnahe Unternehmen wie Post, Swisscom und SBB in der Grundversorgung nicht nach Gewinnen streben und auf Quersubventionierung verzichten sollen. Zudem sollen die Löhne der Mitarbeitenden nicht über jenen der Bundesverwaltung liegen dürfen.
Hinter der Initiative stehen die Konsumentenzeitschriften «K-Tipp», «Saldo», «Bon à Savoir» und «Spendere Meglio». Erklärtes Ziel der Initianten ist es, dass Post, Swisscom oder SBB der Bevölkerung in erster Linie einen guten und bezahlbaren Service bieten.
Das Anliegen der Initianten stiess im Nationalrat durchaus auf Sympathie. Die Absicht der Initianten sei lobenswert, sagte Jean-Pierre Graber (SVP/BE). Auch Thomas Hardegger (SP/ZH) sagte, der Ärger der Initianten über die Schliessung von Poststellen oder Pannen bei der SBB sei nachvollziehbar. Nur: «Die Initiative hilft dagegen herzlich wenig.»
«Kontra Service public»
Viele Redner bekannten sich in ihren Voten zu einem starken Service public. Doch die Initiative mit dem «verführerischen» Titel bewirke genau das Gegenteil dessen, was sie eigentlich erreichen wolle: Sie stärke den Service public nicht, sondern schade ihm, warnten alle Fraktionen.
Auch die Linke stellte sich gegen die Initiative. Diese müsste eigentlich «Kontra Service public» heissen, befand Edith Graf-Litscher im Namen der SP-Fraktion. Wenn die bundesnahen Unternehmen keine Gewinne machen könnten, würden sie auch keine Investitionen tätigen. Das führe zu Abbau von Service public, mangelndem Unterhalt und Druck auf die Arbeitsbedingungen.
Mit der Initiative werde die Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit der bundesnahen Unternehmen geschwächt, mahnten die Redner mehrerer Parteien. Matthias Aebischer (SP/BE) sagte, langfristig würde durch die Initiative die Grundversorgung durch Post, SBB und Swisscom ernsthaft in Gefahr gebracht.
Aebischer bezeichnete die Initiative als «Mogelpackung», Martin Candinas (CVP/GR) sprach von einem «Etikettenschwindel». Thomas Hurter (SVP/SH) sagte: «Die Initiative tut vor allem eines: Sie tönt gut und alles andere ist für die Galerie.»
«Bumerang für Randregionen»
Neben dem Gewinnverbot stiess auch das von der Initiative verlangte Verbot der Quersubventionierung auf Unverständnis. Gerade für Randregionen könnte die Initiative zum Bumerang werden, mahnte Christine Häsler (Grüne/BE).
Gegen die Initiative wurden auch die erwarteten finanziellen Ausfälle bei Bund und Kantonen ins Feld geführt. Es drohten Steuererhöhungen oder Sparrunden, sagte Claudia Friedl (SP/SG).
Bundesrätin Doris Leuthard verwies darauf, dass Post, SBB und Swisscom 2014 insgesamt 500 Millionen Franken an Ertragssteuern bezahlten. Hinzu komme eine Gewinnausschüttung von 780 Millionen. Auch die Quersubventionierung verteidigte Leuthard. Die Post beispielsweise könne nur so gute Erträge ausweisen, weil die Postfinance in den letzten Jahren zur «Cashcow» geworden sei.
Der Service public in der Schweiz sei hervorragend, sagte Leuthard. Auch viele Naitonalräte lobten die Qualität des Service public in der Schweiz. Die Initiative habe beim Stimmvolk aber durchaus Chancen, sagte Thomas Hardegger (SP/ZH).
Um dem Volksbegehren den Wind aus den Segeln zu nehmen, hatte sich der Ständerat für eine neue Verfassungsbestimmung zur Grundversorgung ausgesprochen. der Nationalrat hatte diesen Vorschlag vergangene Woche aber versenkt. «Sie werden daher umso mehr gefordert sein, sich gegen die Initiative zu engagieren», rief Hardegger seine Nationalratskollegen auf.