Der deutsche Bundestag hat einen Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung der Neonazi-Morde beschlossen. In seltener Einmütigkeit stimmten alle Fraktionen am Donnerstag dem zuvor gemeinsam ausgehandelten Antrag zu.
Der Ausschuss soll klären, warum die rechtsextreme Zwickauer Neonazi-Gruppe jahrelang in Deutschland rauben und morden konnte, ohne dass Sicherheitsbehörden sie im Visier hatten. Auf das Konto der Rechtsterroristen gehen unter anderem Morde an neun türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern sowie an einer Polizistin.
Das Gremium hat zum Ziel zu erkennen, welche Konsequenzen für die Arbeit von Verfassungsschutz und Polizei gezogen werden müssen. Als sein Vorsitzender ist der SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy vorgesehen.
Grüne und Linke scheiterten mit Anträgen, die Grösse des Gremiums so zu verändern, dass sie zusammen über ein eigenständiges Beweisantragsrecht verfügen. Redner der übrigen Fraktionen sicherten aber zu, Anträge nach Möglichkeit im Konsens zu beschliessen. Der Ausschuss hat die Möglichkeit, einen Sonderermittler einzusetzen.
Sicherheitsbehörden auf dem rechten Auge blind?
Unions-Innenexperte Hans-Peter Uhl (CSU) sagte, der Vorwurf, dass die Sicherheitsbehörden auf dem rechten Auge blind seien, dürfe nicht stehenbleiben. „Da sind wir uns alle einig.“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sagte, das Vertrauen in den Rechtsstaat sei mit der Neonazi-Mordserie in Teilen der Bevölkerung erschüttert worden. „Nur ein Untersuchungsausschuss kann Zeugen unter Wahrheitspflicht vorladen und sie zwingen, zu sagen, was sie wissen, damit alles auf den Tisch kommt.“
Neuer Anlauf für NPD-Verbot?
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sagte, die Taten der Rechtsextremisten gehörten zu den schwersten Verbrechen in der Bundesrepublik. Der Ausschuss müsse auch Belege für die Verfassungswidrigkeit der rechtsextremen NPD sammeln, um diese in einem zweiten Verbotsverfahren zu verwenden.
Ein erstes Verfahren war 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht an der Frage von V-Leuten des Verfassungsschutzes in Führungsgremien der Partei gescheitert. Ob es einen zweiten Anlauf für ein Verbot geben wird, ist offen.
Neben dem Untersuchungsausschuss des Bundestages soll sich auch eine Bund-Länder-Kommission mit den Ermittlungs- und Kommunikationspannen der Behörden befassen. Der Thüringer Landtag setzte am Donnerstag einen eigenen Untersuchungsausschuss zu den Neonazi-Morden ein.