Die 65-jährige Schweizerin, die ihren pflegebedürftigen Partner in Indien „entsorgte“, muss sich vor dem Zürcher Obergericht verantworten. Der Staatsanwalt ist mit der Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten nicht zufrieden.
Wie Staatsanwalt Roland Geisseler am Montag auf Anfrage der sda sagte, zieht er das Urteil des Winterthurer Bezirksgerichts ans Obergericht weiter. Weitere Angaben zum Weiterzug wollte er nicht machen. Bei der Verhandlung Anfang April hatte Geisseler eine unbedingte Freiheitsstrafe von 3,5 Jahren gefordert.
Die ehemalige Bankangestellte wurde Anfang April wegen Aussetzung verurteilt. Sie hatte ihren Lebenspartner im Jahr 2008 aus dem Pflegeheim bei Winterthur abgemeldet und nach Indien gebracht. Gemäss eigenen Aussagen, um ihm eine letzte schöne Reise zu ermöglichen.
Das Gericht sah es aber als erwiesen an, dass sie den halbseitig gelähmten, dementen und pflegebedürftigen ehemaligen Bauern ins indische Dorf Bahadurgarh verfrachtete, um die hohen Heimkosten zu umgehen. Das Heim hätte pro Monat 9000 Franken gekostet, was das Vermögen des Mannes empfindlich geschmälert hätte.
Asche in den Kanal geschüttet
Neun Monate nach seiner Ankunft starb er im Alter von 74 Jahren. Ob sein Tod mit der mangelhaften Pflege und den hygienischen Verhältnissen in Indien zusammenhängt, ist unklar. Eine Todesursache wurde nicht ermittelt.
Seine Leiche wurde nach indischem Ritus verbrannt und die Asche in einen Kanal geschüttet, so wie es die Verurteilte vor ihrer Rückreise in die Schweiz den Pflegern in Auftrag gegeben hatte.
Für Staatsanwalt Geisseler steht der Fall stellvertretend für eine drohende, gesellschaftliche Entwicklung: Die „Entsorgung“ alter oder behinderter Menschen, wie er bei der Verhandlung im April sagte. Dieser Fall dürfe deshalb keinesfalls Schule machen.