«Drei Haselnüsse für Aschenbrödel» gehört zu Weihnachten wie «Dinner for One» zu Silvester. Auch in Tschechien ist der tschechisch-deutsche Märchenfilm eine feste TV-Konstante an den Feiertagen. Das Publikum wächst nach.
Eine zierliche junge Frau läuft in altrosa Kapuzenumhang über eine verschneite Terrasse auf ein hell erleuchtetes Schloss zu. An einem Fenster haucht sie ein Guckloch in die Eisblumen auf der Scheibe. Diese bekannte Szene aus dem TV-Klassiker «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel» wollen Tag für Tag viele Besucher zwischen Kleinkind- und Greisenalter nachstellen.
Das Fenster zum «Ballsaal» im sächsischen Schloss Moritzburg ist einer von vier Originalschauplätzen, an dem die deutsch-tschechische Koproduktion 1973 entstand. Der Kult-Märchenfilm bestimmt seit mehr als 40 Jahren das weihnachtliche Fernsehprogramm, er wird öffentlich aufgeführt, ist im Theater präsent und füllt Ausstellungen.
Dabei sollte es eigentlich ein Sommerfilm werden. Da aber die DDR-Filmproduktionsfirma DEFA sofort anfangen wollte mit dem Dreh, wurde alles auf Winter umgeschrieben. Hauptdarstellerin Libuše Šafránková und die anderen Schauspieler froren trotz langer Unterhosen in ihren leichten Renaissancekostümen, obwohl die Stoffe schnell noch gefüttert wurden.
Perfekter Mix aus Film und Märchen
Drehbuchautor František Pavlícek habe zugleich ein selbstbewusstes Aschenputtel kreiert, das sich nicht unterkriegen lasse. «In dieser Modernität und Spritzigkeit einer emanzipierten Hauptfigur liegt ein Grund für die anhaltende Beliebtheit», sagt Kunsthistorikerin Margitta Hensel, die zum Mythos Aschenbrödel forschte. Auch die Musik von Komponist Karel Svoboda spielte eine grosse Rolle. «Es war eine glückliche Konstellation», erinnert sich Šafránková.
Kulturwissenschaftler Stefan Retzlaff hält zudem die Mischung aus Märchen und Film für «unheimlich geschickt». «Alles, was zum Märchen gehört, ist dabei und wiederkennbar, aber zugleich ist alles, was unbedingt nicht märchenmässig sein muss, stark modernisiert.»