Die Pharmaindustrie bereitet eine Notversorgung der Griechen mit Medikamenten vor, sollte das Land die Euro-Zone verlassen und in Zahlungsnot geraten.
Branchenkreisen zufolge werden die Pläne vorangetrieben, seit für Mitte Juni Neuwahlen angekündigt wurden, wie die Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag berichtete. Die Hersteller nehmen sich demnach das Vorgehen nach der Pleite Argentiniens 2002 zum Vorbild, als die Industrie eine Zeit lang ohne Bezahlung weiter Medikamente lieferte.
Vor allem Konzerne mit Zentralen in Europa stehen unter Druck, eine Katastrophe im Gesundheitssektor zu verhindern, sollte Griechenland wegen einer massiven Abwertung einer eigenen Währung Importe nicht bezahlen können.
„Es gibt eine moralische Pflicht, die Versorgung fortzusetzen“, sagte Simon Friend, der sich bei den Wirtschaftsberatern von PricewaterhouseCoopers auf die Pharmabranche konzentriert. „Griechenland ist kein grosser Markt, die meisten Pharmaunternehmen können sich das also leisten.“
Der europäische Pharmaverband bestätigte Gespräche über die Lage in Griechenland, wollte aber keine Einzelheiten nennen. „Wir sind natürlich wachsam und reden mit Leuten darüber“, sagte Verbandschef Richard Bergstrom. „Wir halten sehr engen Kontakt mit der EU-Kommission sowie der griechischen Task Force, und wir beobachten die Entwicklung.“
Milliardenschulden
Der Mittelmeerstaat importiert so gut wie alle Medikamente, die er braucht, und hängt sehr stark von Markenarzneien ab. Da das griechische Gesundheitssystem bislang nur in geringem Umfang mit Nachahmerprodukten arbeitet, kommt das Land auf relativ hohe medizinische Kosten pro Kopf.
Dem griechischen Pharmaverband zufolge schulden die heimischen Spitäler den Herstellern inzwischen rund 1,2 Mrd. Euro. Deswegen verlangen Konzerne wie Novo Nordisk aus Dänemark – weltweit der grösste Lieferant von Insulin – inzwischen eine sofortige Bezahlung ihrer Mittel. Andere wie die britische GlaxoSmithKline geben nach wie vor Zeit zur Begleichung der Rechnungen.
Der Basler Roche-Konzern hat laut dem Bericht seine Abrechnungspolitik zum Teil verschärft, macht aber Ausnahmen für Medikamente gegen Aids oder für Patienten, die Organtransplantationen hinter sich haben.