Homosexuelle Männer sollen in der Schweiz Blut spenden dürfen, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Das will die Dachorganisation Blutspende SRK Schweiz bei der zuständigen Aufsichtsbehörde Swissmedic beantragen. Die Schwulenorganisation Pink Cross ist erfreut.
Heute dürfen Männer wegen der Gefahr einer Übertragung von Krankheiten kein Blut spenden, wenn sie nach 1977 je Sex mit einem Mann gehabt haben. Homosexuelle empfinden diese Regelung als diskriminierend. Blutspende SRK hält sie für nicht mehr zeitgemäss.
Die Organisation will Schwule deshalb künftig nicht mehr grundsätzlich vom Spenden von Blut und Blutstammzellen ausschliessen. Bei der Zulassung zum Blutspenden plant sie, in zwei Stufen vorzugehen: Ab 2017 sollen Schwule spenden dürfen, wenn sie seit mindestens einem Jahr keinen Sex mit Männern gehabt haben.
Rein risikobasierte Kriterien
Mit dieser Lockerung würde die Schweiz mit Staaten wie den USA, Frankreich, Japan, den Niederlanden, Australien oder Grossbritannien gleichziehen.
Doch: «Diese Lösung befriedigt nicht wirklich», sagte Anita Tschaggelar, Mitglied der Geschäftsleitung von Blutspende SRK Schweiz, am Montag in Bern vor den Medien. Blutspende SRK will deshalb künftig die Zulassung zum Spenden von rein risikobasierten Kriterien abhängig machen und nicht von der sexuellen Orientierung.
Die Tatsache an sich, dass ein Mann Sex mit Männern gehabt hat, wäre dann kein Ausschlussgrund mehr, wie Blutspende-SRK-Direktor Rudolf Schwabe ausführte. «Die Überarbeitung der Zulassungskriterien ist aber komplex», sagte er. Stimmen die zuständigen Aufsichtsbehörden zu, könne das Verfahren frühestens 2018 geändert werden.
Gemäss dem Vorschlag von Blutspende SRK Schweiz sollen alle Spendewilligen zu ihrem sexuellen Verhalten befragt werden. Ausschlüsse werde es zwar geben, aber meistens nur noch temporär.
Obwohl Spenderblut auf über Blut übertragbare Krankheiten wie HIV oder Hepatitis getestet wird, bleibt für Patienten ein Restrisiko, bei einer Transfusion angesteckt zu werden. Grund ist das diagnostische Fenster: In den Tests lassen sich manche Krankheiten erst mehrere Tage nach der Ansteckung im Blut nachweisen.
Diese diagnostischen Fenster sind laut Blutspende SRK dank moderner Tests zwar kleiner geworden, aber es gibt sie nach wie vor: Bei HIV ist dieser Zeitraum bis zu sieben Tage lang. Bei Hepatitis B sind es 20 Tage und bei Hepatitis C ungefähr fünf Tage.
Diagnostisches Fenster
«Leider ist vielen Leuten die Problematik der Fensterspende nicht bekannt», stellte Tschaggelar fest. Oft werde argumentiert, dass Ausschlusskriterien nicht nötig seien, weil alle Spenden getestet würden. Das Blutspendeverbot für Männer, die mit Männern Sex haben oder hatten, wurde 1985 im Zusammenhang mit dem HI-Virus erlassen.
Unter Schwulen liegt die HIV-Prävalenz bei rund 10 Prozent, bei Heterosexuellen dagegen lediglich bei 0,3 Prozent. Eine Studie aus Australien hat indes gezeigt, dass die Zulassung zum Blutspenden ein Jahr nach dem letzten sexuellen Kontakt unter Männern das Risiko von HIV-Übertragungen nicht erhöht hat.
Blutstammzellspende demnächst möglich
Für Blutstammzellspenden – sie werden vor allem für Leukämiepatienten benötigt – sollen sich Homosexuelle dagegen schon ab Mittwoch registrieren können. Ab dann gelten neue, risikobasierte Zulassungskriterien. Spendewillige werden auf Grund ihres Sexualverhaltens einer von vier Risikogruppen zugeordnet.
Nicht spenden dürfen nur Menschen mit hohem Risiko. Gemeint sind zum Beispiel Männer und Frauen, die innerhalb der vier Monate vor der Spende mehr als drei Sexualpartner oder -partnerinnen hatten oder die in den letzten zwölf Monaten mehr als ein Mal bezahlten Sex hatten.
Die Zulassungskriterien für Blutstammzellspenden kann Blutspende SRK selbst anpassen. Grund ist, dass diese früher Knochenmarkspende genannte Übertragung dem Transplantationsgesetz untersteht, während die Blutspende vom Heilmittelgesetz geregelt wird.
Pink Cross, der Schweizer Dachverband der Schwulen, begrüsst das Vorgehen von Blutspende SRK. Der Wechsel vom pauschalen Ausschluss zur risikobasierten Analyse des Sexualverhaltens, ungeachtet der sexuellen Orientierung, werde seit Jahren gefordert, schrieb Pink Cross. Swissmedic müsse nun diese diskriminierende und unnötige Hürde für Männer, die mit Männern Sex hätten, abbauen.