Der des Mordes verdächtigte Oscar Pistorius ist für Staatsanwalt Gerrie Nel ein Lügner. «Seine Aussage geht völlig an der Wahrheit vorbei», sagte der Chefankläger.
Der südafrikanische Paralympics-Star habe sich eine ganz eigene Version der Tatnacht zusammengebastelt, betonte Nel in seinem abschliessenden Plädoyer im Gerichtssaal von Pretoria.
Nel wirft Pistorius in seinem Schlussplädoyer «Ängstlichkeit auf Abruf» vor. Auf dieser Grundlage wolle er seine Verteidigung zusammenbasteln. Die Angaben des Angeklagten wiesen «eklatante Widersprüche» auf. Zu Beginn des Prozesses hatte Pistorius angegeben, Steenkamp für einen Einbrecher gehalten und deshalb geschossen zu haben, im Kreuzverhör sprach er später von einem «schrecklichen Irrtum»: Er habe im Affekt gehandelt, als er in rascher Folge die vier Schüsse abgefeuert habe – aber niemanden töten wollen, auch keinen Einbrecher.
Nach Einschätzung von juristischen Prozessbeobachtern schadete sich Pistorius mit den unterschiedlichen Versionen. Sollte der 27-Jährige wegen vorsätzlichen Mordes verurteilt werden, drohen ihm bis zu 25 Jahre Gefängnis. Lautet das Urteil auf fahrlässige Tötung, könnte er mit einer Bewährungsstrafe davonkommen.
In seinen mehrstündigen Ausführungen versuchte Staatsanwalt Nel die Richterin Thokozile Masipa noch einmal davon zu überzeugen, dass der heute 27-Jährige in der Nacht zum Valentinstag 2013 seine Freundin vorsätzlich durch eine geschlossene Badezimmertür erschoss. Mit den Schlussreden von Staatsanwaltschaft und Verteidigung geht der spektakuläre Prozess gegen den beinamputierten Oscar Pistorius nach Monaten seinem Ende entgegen. Das Urteil wird für Ende August erwartet.
Pistorius sei ein unverantwortlicher Waffennarr, der die Gesetze missachte, erklärte Nel weiter. Pistorius starrte mit ernstem Gesicht die meiste Zeit auf den Boden. Während des Prozesses war er mehrmals in Tränen ausgebrochen und hatte sich wiederholt übergeben. Nach Erfolgen bei den Paralympics war Pistorius als erster beinamputierter Sportler der Olympia-Geschichte im Jahr 2012 mit seinen beiden Prothesen bei den Spielen in London gestartet.