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Soziale Netzwerke funktionieren dann besonders gut, wenn ihre Communities gross sind und die Mitglieder kommentierlustig. Der Amerikaner kann nicht genug davon kriegen. Und wir Schweizer, sind wir bereit für soviel Interaktivität? Soziale Netzwerke gehören heute schon so selbstverständlich zur amerikanischen Kultur wie der Fernseher oder das Smartphone. Nach meiner Erfahrung liebt es der Amerikaner, mit […]

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Soziale Netzwerke funktionieren dann besonders gut, wenn ihre Communities gross sind und die Mitglieder kommentierlustig. Der Amerikaner kann nicht genug davon kriegen. Und wir Schweizer, sind wir bereit für soviel Interaktivität?

Soziale Netzwerke gehören heute schon so selbstverständlich zur amerikanischen Kultur wie der Fernseher oder das Smartphone. Nach meiner Erfahrung liebt es der Amerikaner, mit seinen Mitmenschen zu interagieren und alles zu kommentieren. Da haut er richtig in die Tasten! Und es drückt sich bei mir unweigerlich die Frage auf: Wo stehen meine stillen Landsleute in der sozialen Cybercommunity? Sind Herr und Frau Schweizer nicht schlichtweg überfordert vom Lauf der digitalen Interaktivität?

Lassen Sie mich etwas ausholen und pauschalisieren. Ich habe über Jahre in der Schweizer Theater- und Tanzlandschaft gearbeitet. In der Zeit besuchte ich mehrere Hundert Theaterveranstaltungen im In- und Ausland, viele auch in den USA. Der Zuschauer in den USA lässt sich gerne vom Gesehenen mitreissen. Dass gerade diskutiert wird, ob Standing Ovations  am Broadway abgeschafft werden sollten, ist symptomatisch. Obwohl: Des Amerikaners Freude an der Standing Ovation hat wohl weniger mit dem Gesehenen zu tun, als vielmehr mit dem Feiern von sich selbst. Und eigentlich könnte man von einem sozialen Zwang reden, seine Begeisterung öffentlich demonstrieren zu müssen.

Theaterpublikum kommentiert lauthals

Es kommt nicht selten vor, dass ein Zuschauer während eines Stücks das Geschehen lauthals kommentiert. Auf der Bühne gestellte rhetorische Fragen werden fast immer von Zuschauenden beantwortet. Die bekannte «Brechtsche Vierte Wand» zwischen dem Bühnengeschehen und dem Publikum ist sozusagen inexistent. Der Zuschauer versteht sich ganz selbstverständlich als aktives, gleichwertiges Teil des Stücks.

Das Schweizer Publikum auf der andern Seite erlebe ich als viel reservierter. Sogar wenn die Zuschauer direkt angesprochen werden, blicken die meisten beschämt zu Boden. Und ich kann mich nicht erinnern, dass ich je während eines Stücks einen Kommentar aus den Zuschauerrängen gehört hätte.

Nun, meine Beobachtungen führen aus dem Theaterraum hinaus. Nehmen wir die öffentlichen Verkehrsmittel. Wenn ich hier in  San Francisco mit ein paar auffallend schönen Schuhen im Tram sitze, wird es keine paar Minuten dauern, bis ein Mitinsasse mein Schuhwerk ungefragt kommentiert. In der Schweiz würde vielleicht ein Betrunkener etwas über meine Schuhe gröhlen, der Rest des Trams würde nur verstohlene Blicke auf meine Füsse werfen.

Senf zu allem

Der Amerikaner ist ein interaktives Wesen. Er lässt sich nur ungern den Mund verbieten. Das Kommentieren und Bewerten seiner Umwelt gehen dabei oft Hand in Hand. Das Individuum wird hier gross geschrieben und nur durch die Abgrenzung entwickelt sich das eigene Ego zu einer reifen Persönlichkeit. «Americans are just abnoxious!», meint eine amerikanische Freundin von mir. Also Amerikaner seien einfach unausstehlich, zu allem müssten sie ihren Senf dazugeben.  Sogar im Auto auf dem Highway werde ich dazu angehalten, in Interaktion mit meinen Mitfahrern zu treten: Auf jedem Lastwagen, den ich überhole steht: «Wie finden Sie mein Fahrstil? Rückmeldungen unter 1-800 –bla bla bla».

Ist es daher überraschend, dass sich in den USA jede Kleiderboutique, jeder Zahnarzt und jede Autowaschanlage auf verschiedensten Sozialen Netzwerken präsentieren? Nebst den herkömmlichen Plattformen wie facebook (bitte «like uns» auf facebook!), Twitter und Youtube ist Yelp.com das grösste Soziale Netzwerk für Konsumenten. Yelp hilft mir ein gewünschtes Geschäft oder eine bestimmte Dienstleistung in meiner Nähe zu finden und ordnet meine Optionen gleich nach Bewertungen der Community-Mitglieder. «Yelp it» ist mittlerweile in den USA ein fester Ausdruck genauso wie bei uns «googeln».

Der Schweizer schweigt

Hingegen zeigt eine neue Untersuchung «Vom Hype zum Handwerk: Social Media Schweiz 2012» der Kommunikationsagentur Bernet PR (zusammen mit dem Institut für Medienwissenschaften an der Zürcher Hochschule der Angewandten Wissenschaften), dass in der Schweiz nur grade 56 Prozent aller befragten KMU Soziale Netzwerke als Marketing-Instrument brauchen.  Wäre es nicht eine Selbstverständlichkeit, diese neuen Netzwerke zu brauchen, wenn die Firmen sich daraus einen Erfolg versprächen? In der Schweiz gilt es als Laster, immer und ungefragt seine Meinung zu äussern. Lieber schweigt sich der Schweizer aus und denkt sich seine Sache.

In den USA ist die Politik der Wirtschaft gefolgt und hat die Sozialen Medien für sich zu nutzen begonnen: Obamas Kampagne 2008 setzte bereits stark auf diese Form der Bewegung, welche die Amerikaner bei Ihrer Leidenschaft für das Mitreden packt.

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