Die französische Regierung rückt dem Kapital zu Leibe: Höhere Steuern für Millionäre, Grosskonzerne und Spekulanten sollen die Staatskasse füllen.
Frankreich will sparen, aber auch sozial handeln: Diese Quadratur des Zirkels hat Frankreichs neuer Premierminister Jean-Marc Ayrault in seiner Regierungserklärung vor dem Parlament skizziert. Der Sozialist nahm bisherige Wachstumsprognosen für Frankreich zurück, erklärte aber, er wolle das Budgetdefizit im kommenden Jahr weiterhin auf 3 Prozent und bis 2017 auf null drücken.
Dies will Ayrault ohne Kahlschlag bewerkstelligen: «Ich weise die Austerität zurück», meinte er unter tosendem Applaus der sozialistischen und grünen Abgeordneten, die in der im Juni gewählten Nationalversammlung die Mehrheit stellen. Ayrault will unter anderem 60’000 Lehrer einstellen und den Bau von jährlich 500’000 Wohnungen ermöglichen, für die der Staat unentgeltlich Boden zur Verfügung stellt.
75 Prozent Steuern für Millionäre
Finanzieren müssen das die kapitalkräftigen Einwohner und Firmen. Für hohe Einkommen werde eine neue Steuerklasse mit 45 Prozent Abgabe geschaffen, Millionäre müssten gar 75 Prozent abliefern, meinte Ayrault in Umsetzung eines Wahlversprechens von Präsident François Hollande.
Zudem schafft Frankreich eine Sonderabgabe für Grosskonzerne namentlich in den Bereichen Banken und Erdölkonzerne, erklärte der Premier. Banken müssen das Depot- und Spekulationsgeschäft trennen. Auch eine Finanztransaktionssteuer wird geschaffen. Die Mehrwertsteuer sinkt hingegen, und auch die Einkommenssteuer werde «gerechter und progressiver» gestaltet, wie Ayrault betonte: «Die Volks- und die Mittelklasse bleiben verschont.»
Weniger Atomkraft
Mit dieser Ankündigung machte der Premier klar, dass das fünfjährige Mandat Hollandes im Zeichen einer umfassenden Steuerreform stehen werde. Weiter will die Regierung die Erhöhung der Mietpreise einschränken, Ausländern das lokale Wahlrecht einräumen und den Anteil der Atomkraft an der nationalen Stromproduktion von 75 auf 50 Prozent senken. Parlamentarier sollen keine lokalen Ämter mehr kumulieren dürfen.
Für die nationale Autoindustrie kündigte Ayrault einen Schutzplan an, seitdem Meldungen über den Abbau von bis zu 10’000 Stellen bei Peugeot zirkulieren. Grosse Hoffnungen setzt die Pariser Regierung auch in den beim letzten EU-Gipfel beschlossenen Wachstumspakt über 120 Milliarden Euro. Er soll vom Parlament zusammen mit dem von Berlin lancierten Spar- und Fiskalpakt beschlossen werden.
Ayrault bekräftigte, das deutsch-französische Paar bleibe «der Sockel der EU». «Wenn die Solidarität vorankommt, wird die politische Integration möglich», meinte der Premier an die Adresse von Kanzlerin Angela Merkel, die beim EU-Gipfel die Integration zur Vorbedingung einer kollektive Schuldenhaftung auf EU-Ebene gemacht hatte.