Die Polen haben am Sonntag in einer Volksabstimmung über die Einführung des Mehrheitswahlrechts abgestimmt. Demnach sollen jene Kandidaten ins Parlament einziehen, die in ihren Wahlkreisen die meisten Stimmen erhalten.
Bisher wird in Polen nach einer Mischung aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht über die Verteilung von Abgeordnetenmandaten entschieden.
Vom Mehrheitswahlrecht erhoffen sich die Initiatoren einen stärkeren Einfluss des Wählerwillens und weniger Parteiproporz. Kritiker warnen, dass das System Kandidaten Vorteile bringen könnte, die polarisieren und mit populistischen Auftritten Aufmerksamkeit für sich gewinnen.
Zum Referendum, das auf eine Initiative von Ex-Präsident Bronislaw Komorowski zurückgeht, waren mehr als 30 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen. Sie sollen ausserdem ihr Votum über die Parteienfinanzierung aus öffentlichen Mitteln und das Steuerrecht abgeben.
Quorum von 50 Prozent erforderlich
Die Staatliche Wahlkommission machte bis Sonntagnachmittag keine Angaben über die Beteiligung an dem Referendum. Es sei zu keinen grösseren Zwischenfällen gekommen, hiess es über den bisherigen Verlauf.
Für ein gültiges Referendum ist eine Wahlbeteiligung von mehr als 50 Prozent notwendig. Die Wahllokale waren am Sonntag bis 22.00 Uhr geöffnet. Das Ergebnis steht frühestens am Montagnachmittag fest.
Das Votum wird keine Auswirkungen auf die Parlamentswahl am 25. Oktober haben. Auch ob das geltende Wahlrecht tatsächlich geändert wird, ist noch offen.
Sollte das Referendum gültig sein, bedeutet das lediglich, dass sich das Parlament mit der Änderung des Wahlrechts und den übrigen zur Abstimmung gestellten Themen beschäftigen muss. Wenn weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten abstimmen, müssen die Parlamentarier nicht aktiv werden.
Senat lehnt weiteres Referendum ab
Der polnische Senat, die zweite Kammer des Parlaments, hatte in der vergangenen Woche ein weiteres Referendum abgelehnt, das Präsident Andrzej Duda angeregt hatte. Zeitgleich mit den Parlamentswahlen sollten die Polen über die Absenkung des Rentenalters entscheiden.
Der Senat bezeichnete die geplante Volksabstimmung jedoch als politisches Manöver des nationalkonservativen Präsidenten: Die liberalkonservative Regierung hatte mit der Heraufsetzung des Rentenalters auf 67 Jahre für Unmut bei den Wählern gesorgt. Das Thema am Wahltag zum Thema eines Referendums zu machen, schien wie indirekte Wahlkampfhilfe für die nationalkonservative Opposition.